Eine kleine Erholungsoase, so beschrieb meine Mutter den kleinen, feinen und vielfältigen Garten von Camilla. Es gab einiges zu sehen und zu entdecken. Da das Wetter wieder schöner und sonniger wurde, war es die optimale Gelegenheit in dem Garten zu frühstücken. Auch an diesem Morgen trafen wir uns um acht Uhr. Adrian und eine Freundin von Camilla, die zu Besuch kam, gesellten sich später ebenfalls mit dazu, sodass es eine richtig bunte und lustige Runde wurde. Die Zeit verging wieder wie im Flug und schon hatten wir es halb elf. Nun hieß es die restlichen sieben Sachen zusammen packen und auf geht’s. Aber natürlich nicht bevor wir ein tolles Erinnerungsfoto geschossen hatten. Es war eine wundervolle Begegnung, die wir beide nie vergessen werden.
Ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasielien kann einen Taifun in Deutschland auslösen, so die Metapher. Nichts ist vorhersehbar. So konnten wir auch zuvor nicht absehen, was der Biss einer Kriebelmücke für Folgen haben kann. Eine Wochen zuvor wurde meine Mutter in ihrem Urlaub von dieser Mückenart gebissen. Hinten in die Achilissehne. Es entzündete sich so stark, dass ihr gesamter linker Fuß dick anschwill und sie in der Nacht sogar Schüttelfrost davon bekam. Am nächsten Morgen ging es daher direkt zum Arzt, der ihr Antibiotika verschrieb. Von Tag zu Tag wurde es besser. Aber ganz genesen war die Wunde noch nicht, als sie in Rothenburg ankam. Ein Spaziergang durch Rothenburg war zwar möglich, aber eine Etappe in den Wanderschuhen, das war uns dann doch zu heikel, wobei wir uns auf die gemeinsame Wanderung soo sehr gefreut hatten. Die Vernunft siegte und ich wollte ja auch, dass meine Mutter am nächsten Tag wieder gesund und wohlbehalten zu Hause ankommt. Daher vereinbarten wir, dass wir uns am heutigen Etappenziel Brettheim treffen werden. Meine Mutter mit dem Auto und ich, wie seit den letzten Wochen, zu Fuß. Der Vorteil war, dass meine Mutter sich so noch einen schönen halben Tag in Rothenburg gestalten konnte ?
Fast zeitgleich, gegen 15 Uhr, kamen wir in Brettheim am Haus der Musik und Begegnung an. Dies war unser Domizil für heute Abend. Keine Pilgerer oder anderen Wanderer, nur wir waren in dem riesigen Haus. Uns gehörte eine gesamte Etage mit einer Küche, Essbereich und einem schnuckeligen Doppelzimmer. Besser hätten wir es kaum antreffen können. Schnell machte ich mich frisch, sodass wir uns noch einen kleinen Spaziergang durch Brettheim machen konnten. Als Alternative zum Wandern ?Viel erhofften wir nicht zu sehen. Denn es war ein kleines und überschaubares Dorf, in welchem die Geschäfte an einem Samstag bereits um 13 Uhr schlossen. Wir fühlten uns um einige Jahre zurück versetzt, als diese Geschäfts Zeiten noch bei uns in der Region galten. ?
Rund eine halbe Stunde später und wir hatten alles gesehen, was es zu sehen gab. Doch wir erinnerten uns an die Geschichte (Die drei Männer von Brettheim), die diese Stadt Ende des Zweiten Weltkriegs prägte. Adrian hatte uns vor unserer Abreise die Geschichte in kompakter Version erzählt. “Es gibt sogar ein Museum zu dieser Geschichte” sagte er.
Das Museum hatten wir geschwind gefunden und erreicht. Es befindet sich im hiesigen Rathaus. Vor dem Rathaus im Schaukasten stand eine Nummer. Diese konnte man anrufen, um nachzufragen, ob eine kleine Führung spontan möglich wäre. Obwohl es schon spät war, sagte ein Einheimischer, dass wir dennoch gerne unter der Nummer anrufen und nach einer kurzen Führung fragen könnten. Direkt ergriff ich die Initiative und rief an. Da wir von so weit her kamen erklärte sich Herr Krauß bereit uns zu empfangen. Wir waren ihm sehr dankbar und hatten kaum keine Vorstellung, was uns erwarten würde.
Zunächst wurden wir in einen Saal geführt. Da die Geschichte im Rahmen eines Schulprojektes verfilmt wurde, durften wir uns zuerst diesen Film anschauen, in welchem das Geschehen Schritt für Schritt erklärt wurde. Sogar Zeitzeugen wurden befragt und Interview.
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Die Geschichte:
Am Morgen des 7. April 1945 waren im Dorf Brettheim bereits die Panzer der US-Amerikaner zu hören, die sich von Rot am See, sechs Kilometer von Brettheim entfernt, nach Crailsheim bewegten. Die Dorfbewohner rechneten damit, sich bald ergeben zu können, um eine Zerstörung des Dorfes zu verhindern. Die geschwächte deutsche Wehrmacht war nicht mehr in der Lage, das Gebiet zu verteidigen, und hatte alle Soldaten abgezogen. Die SS hingegen forderte von der Bevölkerung, Panzersperren zu errichten und das Dorf zu verteidigen. Zu diesem Zweck waren vier Hitlerjungen mit Panzerfäuste, Handgranaten und einem Gewehr bewaffnet nach Brettheim geschickt worden. Um den zwecklosen Widerstand zu verhindern, entwaffneten einige Einwohner, darunter der Bauer Friedrich Hanselmann, die Hitlerjungen, warfen die Waffen in einen Teich und schickten die etwa 15-Jährigen weg. Die Hitlerjungen berichteten ihren Vorgesetzten von dem Vorfall, und noch am selben Abend wurde die männliche Dorfbevölkerung zum Verhör ins Rathaus zitiert. Im Verlauf des vom SS-Sturmbannführer Gottschalk mit Drohungen und Beschimpfungen geführten Verhörs stellte Hanselmann sich, um das Dorf zu schützen. Gottschalk verurteilte Friedrich Hanselmann im kurz darauf einberufenen Standgericht wegen WehrkraftsersetzWehrkraftsersetzung zum Tode. Bürgermeister Leonhard Gackstatter sowie der Lehrer und NSDAP-Ortsgruppenleiter Leonhard Wolfmeyer, die als Beisitzer bestimmt worden waren, weigerten sich, den Todesbefehl zu unterschreiben. Aus diesem Grund wurde Hanselmann zwei Tage später, am 9. April, in Rothenburg erneut der Prozess gemacht. Wie schon zuvor weigerte er sich, andere Beteiligte zu nennen oder deren Aufenthaltsort zu verraten, so dass sein Todesurteil ohne weitere Beratung verlesen und auch von den – dieses Mal der Wehrmacht angehörigen – Beisitzern unterzeichnet wurde.Tags darauf am 10. April wurden Bürgermeister Gackstatter und Lehrer Wolfmeyer auf Schloss Schillingsfürst ebenfalls wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt, da sie Hanselmann zuvor unterstützt hatten. Als daraufhin Wolfmeyer um sein Leben flehte, wurde der als Gerichtsherr anwesende SS-General Max Simon wütend und befahl, das Todesurteil durch Hängen zu vollstrecken. (Quelle: Wikipedia)
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Es war grausam. Auch die Tochter des Bürgermeisters wurde als Zeitzeugin interviewt. Am Ende des Films waren wir so ergriffen und zugleich geschockt, dass uns die Tränen über die Wangen liefen. Wir konnten es kaum fassen.
Nach einem kurzen Gespräch mit Herrn Krauß, gingen wir hoch in das Dachgeschoss. Die gesamte Etage war ausgebaut und als Museum hergerichtet. Damit hätte ich nun kaum gerechnet. Dort war nochmal der geschichtliche Ablauf und vieles mehr präsentiert. Wir waren immer noch so ergriffen, dass wir noch ganz viele Fragen an Herrn Krauß stellten und diese besprachen. Rund drei Stunden hatten wir in dem Museum mit Herrn Krauß verbracht. Das hatten wir nun wirklich nicht erwartet und dankten Herrn Krauß, dass er seine freie Zeit extra für uns geopfert hatte, nur um uns die Geschichte näher zu bringen. Hinter kleinen unscheinbaren Dörfern kann sich doch einiges verbergen.
Sehr nachdenklich und weiterhin sehr betroffen gingen wir zurück zu unserer Unterkunft und machten unser Abendbrot. Wir hatten großen Hunger. Auch beim Essen beschäftige uns die Geschichte der drei Männer weiterhin und sprachen noch lange darüber. Einen Ausflug nach Brettheim und in das Museum können wir nur empfehlen.
Nachfolgend ist der Link zur Webseite des Museums “Die drei Männer von Brettheim” zu finden.
Unsere Geschichte muss lebendig bleiben, muss nahe gebracht werden , zum Denken und berührt werden führen und helfen, uns vor kollektiver “Blindheit” zu schützen.
Danke für den Bericht