Tag 39: Blitz und Donner

Obwohl mein Zimmer in der Pilgerunterkunft einen intensiven Zigarettengeruch hatte, war das Bett hingehen himmlisch. Ein kuscheliges Kissen und eine dicke flauschige Decke gaben mir das Gefühl, wie auf Wolken zu liegen. Ich wollte nicht aufstehen, sondern noch ganz lange das wohlige Gefühl auskosten. Nach dem dritten Schlummeralarm setzte ich dann doch ganz langsam den ersten Fuß auf den Boden und dann denn zweiten. Gemächlich schluffte ich zum Waschbecken und machte mich frisch. Als ich an das bevorstehende Frühstück dachte, war ich im Handumdrehen top fit. Mein Magen hatte ein kleines Hüngerchen. Ein gutes Frühstück, das ist das A und O für einen Pilgerer, um für die bevorstehenden Kilometer ausreichend Energie zu haben. Ein gutes Frühstück hält sich bis Abends, der Ansicht war auch mein Vater. Diese Erfahrung hatte er ebenfalls auf seinen Motorradtouren gemacht. Oftmals musste ich beim frühstücken an seine Worte denken ?

Als ich die letzten Bissen meines Brötchens aß, betrat eine ältere Dame den Saal und schlenderte an meinen Tisch in Richtung Buffet vorbei. Das Outfit verriet alles. Langsam bekam man einen Blick dafür, wer sich auf entsprechender Wanderschaft befand. Zudem gab mir der Hotelbesitzer einen dezenten Hinweis, dass es die Pilger sei, über die wir gestern kurz gesprochen hatten. Er erwähnte gestern nur, dass eine weitere Pilgerin angekommen sei, die sich ebenfalls auf dem Jakobsweg befindet. Ohh wie schön, dachte ich. Jemanden getroffen, der die selbe Richtung läuft, hatte ich bisher noch nicht. Als die Dame mit einem gut gefüllten Teller zurück gekehrte, blieb sie an meinem Tisch stehen und wir kamen ins Gespräch. Bis alle Informationen, Eindrücke und Erfahrungen, die man auf dem Jakobsweg gesammelt hatte, ausgetauscht waren, vergingen rund 20 bis 30 Minuten. Diese Begegnungen waren immer sehr wertvoll. Zu erfahren was die anderen Pilgerer bereits erlebt hatten und wie sie ihren Weg gestalteten war sehr interessant und oftmals merkte man, dass viele das gleiche fühlten. ?

Nun wurde es langsam Zeit, denn heute ging es nach Ulm. Dort sollte ich nun endlich Julia treffen. Eine ehemalige Arbeitskollegin und gute Freundin, die mich ab heute für drei Tage begleitete. Als ich Julia damals von meinen Plänen erzählte und zu meiner Reise einlud, ein paar Etappen mit zu laufen, überlegte sie nicht lange und entschied ein paar Tage mit zu gehen. Ich freute mich schon sehr Jukia gleich zu treffen und war gleichzeitig gespannt, wie sich die Tage gestalten würden. Doch nun hieß es loslaufen, um schnellstmöglich in Ulm anzukommen.

Ohje, das Wetter. Das sah gar nicht gut aus. Der Wetterbericht meldete Regen mit leichten Gewittern. Nun ja, die letzten Tage hatte ich immer sehr viel Glück gehabt, sodass ich manchmal das Gefühl hatte, genau die passenden Wetterabschnitte zu erwischen, in denen es nicht regnete. Daher war ich guter Hoffnung, obwohl der Himmel verdammt dunkel war. Die Hoffnung stirbt zu letzt.

Nach ein paar Kilometern wechselte der Weg vom Feld- in einen Waldweg. Als ich den Waldweg erreichte fing es leicht an zu regnet. Für mich noch kein ausreichender Grund den Regenponcho aus zupacken. Ein paar Regentropfen hatten noch keinem geschadet ? Mit jedem Schritt den ich jedoch lief nahm der Regen zu. Nun kramte ich doch langsam den Pancho raus. Kurz darauf wurde der Regen noch heftiger. Als stünde ich unter einem Wasserfall. In der Ferne hörte ich jetzt auch ein leichtes Grummeln, welches stetig zunahm und bei jedem mal lauter wurde und näher kam. Gewitter. Durch den Regen laufen war kein Problem, aber Gewitter musste nicht sein. Glücklicherweise führte der Weg kurzweilig auf eine Straße, an der ein Haus eines Schützenvereins lag. Dort befand sich ein kleiner Vorsprung an der Haustüre zu dem ich direkt hinspurtete. Ich machte mich klein und kauerte mich in die Ecke. Nun hieß es abwarten bis das Gewitter ver rüber war. Es donnerte immer wieder. Das Gewitter war 5-10 Kilometer entfernt. Doch plötzlich knallte es so laut, dass mein ganzer Körper zuckte. Ein Blitz musste ganz in der Nähe eingeschlagen sein. Oh je oh je oh je. Na mal gut, dass ich nicht weiter gelaufen bin, sagte ich laut vor mir her. Ich musste abermals an meinen Vater denken, der mich vor meiner Reise belehrte bei Gewitter nicht zu laufen. Wie Recht er hatte. ?

Eine dreiviertel Stunde kauerte ich in der Ecke, bis es langsam wieder losgehen konnte. Es regnete noch, aber zum Glück donnerte es nicht mehr. Zurück auf dem Weg stellte sich mir die erste Herausforderung. Es hatte so stark geregnet, dass der gesamte Weg unter Wasser stand. Der neben dem Weg verlaufende Bach war über die Ufern getreten. Ohne nasse Schuhe kam ich da nicht heile raus. Drei solcher “Pfützen” galt es zu überwinden. Danach wusste ich wo der Blitz eingeschlagen war. Nicht weit vom Weg lag die Hälfte des Baumes, die der Blitz von Stamm getrennt hatte. Ich musste schlucken. Im Endeffekt war ich richtig froh, dass ich nicht weiter gelaufen bin.

Noch einmal runter, dann wieder hoch, kurz durch einen kleinen Regenschauer und endlich stand ich auf dem Berg mit der besten Sicht auf Ulm. War das schön. Einfach Fabelhaft. Eine Stunde durch den Großstadt-Jungle und ich hatte den Ulmer Münster erreicht. Eine prachtvolle gotische Kirche. Nach einem kurzen Rundgang traf ich mich draußen vor dem Münster mit Julia. Ach war das schön, ich freute mich riesig sie ab jetzt an meiner Seite zu haben. Wir kauften noch schnell etwas für den Abend ein und begaben uns anschließend zu unserer heutigen Unterkunft in Neu-Ulm. Fünf Kilometer mussten wir bis dorthin laufen. Wir hatten sooo viel zu erzählen, dass die Zeit bis zu unserer Unterkunft gefühlt nur wenige Minuten dauerte. Zudem war es eine gute Vorbereitung für Julia ?

Fast am Ende der Zivilisation erreichten wir das Haus von Margret und Peter. Sie empfingen und sehr herzlich. Beide sind vor Jahren den Camino und weitere Pilgerwege gewandert. Doch heutzutage war das leider nicht mehr möglich, denn sie hatten ein stolzes Alter erreicht, welches man ihnen kaum ansah. Wir setzten uns auf die Terasse, unterhielten uns sehr nett und lernten uns besser kennen. Nach einer Stunde mussten sie sich jedoch leider verabschieden, da sie zu dem Geburtstag Ihrer Schwiegertochter eingeladen waren, und ließen uns alleine in ihrem riesigen und wunderschönen Haus. Wir waren beeindruckt, dass sie so viel Vertrauen zu uns hatten. Wir schätzten dies sehr und waren richtig begeistert. Wir blieben weiterhin auf der Terrasse sitzen und machten es uns dort gemütlich. Wir quatschen und aßen nebenbei eine Kleinigkeit. Es war richtig schön. Als es dunkel wurde kamen unsere Herbegrseltern zurück. Wir führten unsere Gespräche von vorhin weiter fort, wobei ich mich etwas früher verabschiedete, da ich richtig müde wurde. Julia und unsere Pilgereltern blieben noch etwas sitzen und erzählten noch etwas. Ich machte es mir unten im Keller auf der japanischen Matratze gemütlich und war in wenigen Sekunden in einer anderen Welt.

Eine Antwort auf „Tag 39: Blitz und Donner“

  1. In Ulm, um Ulm und Ulm herum. Ein bekanntes schönes Wortspiel welches du nun erlaufen durftest. Sammle noch schöne Eindrücke und schlaf gut im ulmscher Umland.

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