War das eine angenehme und schöne warme Nacht im Stroh. Der Regen hatte nun endlich seinen Betrieb eingestellt und das Wetter klarte langsam wieder auf. Perfekt, um die Aussichtsplattform zu besuchen, die ganz in der Nähe war. Das Wetter wurde zwar besser aber die Temperatur war denoch relativ frisch. Es waren immer noch 10°. Der Herbst kündigte sich an, das war nun gut zu spüren.
Meinen Rucksack ließ ich so lange im Stroh liegen und kletterte rund 20 Minuten durch den Wald bis ich die Plattform erreichte. Die Plattform war schon echt etwas hoch. Früher hatte ich keine Problem mit Höhen, aber bei einem solchen Stahlgerüst, wo man durch die Treppen hindurch sehen konnte, war es mittlerweile etwas anders geworden ? Dennoch, ich musste da hoch. In einem guten Tempo ging es hoch hinaus. Das erste was ich sah als ich oben ankam war ein Kreis, der den besten Selfieplatz markierte. Echt jetzt? ? Was die Leute sich alles einfallen lassen. Dann blieb mir der Atem stehen als ich hoch schaute. War das eine verdammt geile Aussicht. Man konnte fast den gesamten Bodensee überblicken und zur Schweiz rübersehen. In diesem Moment war ich froh den Tipp von meiner gestrigen Pilgermutter bekommen zu haben. Einmalig und total faszinierend dieser Aussichtspunkt. Ich hätte hier Stunden verbringen können, wenn es eine Bank gegeben hätte und es nicht so kalt und windig gewesen wäre. ?Auch hier durften ein paar schöne Erinnerungsbilder nicht fehlen. Danach ging es geschwind wieder herunter. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Auf dem Weg zurück zum Heubettchen sah ich plötzlich ein grünes Fischerhütchen. Genau so eins wie ich es verloren hatte. Was für ein Zufall. Es war klitsch nass vom Regen. Dennoch nahm ich es mit, um es später einmal an zu probieren. Solange konnte es am Rucksack trocknen.
Bevor es jedoch in Richtung Meersburg gehen sollte, suchte ich die Bäckerei auf, die ich mir gestern bei Google Maps ausgeguckt hatte. Ich hatte einen riesigen Hunger. Nach dem Erlebnis von heute morgen war ich auch wieder etwas abgekühlt, sodass eine heiße Tasse Kaffe mich wieder aufwärmen musste. Es war die beste Bäckerei im Dorf und das schmeckte man. Zuerst bestellte ich mir ein belegtes Brötchen und eine große Tasse Kaffe. Verdammt war das gut. Bei jedem Bissen schloss ich die Augen und genoss jeden Bissen. Danach hatte ich allerdings immer noch Hunger und bestellte mir diesmal ein Puddingteilchen und wieder eine große Tasse Kaffe. Das Teilchen musste ja auch irgendwie im Magen ankommen und das ging nur mit ausreichend Kaffe. Mit dem ersten Biss in das Teilchen kam unmittelbar ein “Mhhhmhhhmhhh” aus mir heraus. So ein leckeres Puddingteilchen hatte ich noch nie in meinem Leben gegessen. Besser hätte der Morgen nicht starten können.
Gestärkt und mit genügend Energie ging es ganze zehn Kilometer nach Muttensweiler. In weniger als drei Stunden kam ich an meinem heutigen Etappenziel an. Ein kleiner Spaziergang. Wow, war Muttensweiler schön. Ein altertümliches romantisches Städchen direkt am Bodensee. Zunächst ging ich zur Touristen Information und holte mir dort den Stempel für meinen Pilgerausweis ab. Freundlicherweise bekam ich noch ein kleines Pflasterset geschenkt. Das konnte man immer sehr gut gebrauchen, denn die nächste Blase oder Verletzung kommt ganz bestimmt.
Ich bedankte mich ganz herzlich und verabschiedete mich von der sehr netten Dame.
Draußen, gegenüber der Touristen Information, setzte ich kurz in einem Rondell meinen Rucksack ab, um meinen Pilgerpass wieder in einem Rucksack zu verstauen. Dabei kam ich mit einer fünfköpfigen Familie ins Gespräch, die sich gerade eine Eispackung beim EDEKA geholt hatte. Ein Eis war noch übrig und sie wussten nicht wer es von den fünf bekommen sollte. So entschieden sie kurzerhand, dass ich es bekommen sollte. Uhhh, lecker Eis. Ich freute mich tierisch und nahm es dankend an. Kurz darauf zogen wir alle weiter. Was für eine schöne Begegnung.
Weiter ging es durch die kleine Stadt Muttensweiler. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. So viel gab es zu sehen und zu erleben. Einer meiner Lieblingstädte in Deutschland. Als ich beinahe alles gesehen hatte, musste ich auch schon langsam los zur nächsten Couchsurfingnacht. Heute ging es nach Önder. Önder ist ein Türke der seit fünf Jahren hier in Deutschland lebt und als Englischlehrer tätig ist. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut.
Als ich mich kurz frisch machte, kochte Önder für uns ein leckeres Mahl. Man war das gut. Wie heute morgen genoss ich auch hier jeden einzelnen Bissen. Önder natürlich auch. Nach dem Essen gab es eine kleine Türkischstunde, in der ich ein paar Wörter und Sätze lernte. Das machten wir auch umgekehrt. Ich brachte Önder ein paar nette Wörter bei, die er bei einem Streit gut verwenden konnte ? So kamen wir darauf uns ein paar Videos über deutsche Klischees anzusehen. Wir kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Was in den Videos gezeigt wurde stimmte vollkommen. Irgendwann hatten wir fast alle Videos durchgesehen und die Uhr schlug fast Mitternacht. Es war Zeit langsam ins Bett zu gehen, denn für morgen wollte ich unbedingt fit sein. Morgen ist endlich der langersehnte und große Tag. Andere kommt nach Konstanz. ?
Hohe Aussichtsplattformen finde ich toll. Man bekommt einen weiten Überblick über die Umgebung welche einen ohne verwährt bliebe. Ein Muss wenn ich so einen Teil begegne. Mein Tip für ein durchsichtiges Stahlgerüst schau hindurch und entdecke die Faszination darunter, Kleintiere, Insekten, Pflanzen, den Gitterblick als Kunstwerk und nicht die Untiefe. Schau nicht in die Höhe und nicht in die Tiefe sondern zur Seite und genieße mit jeder Stufe die besser werdende Aussicht. Manchmal ist heruntersteigen schwerer als hochsteigen aber bisher ist noch niemand oben geblieben.
Toll dass ein Fischerhütchen zu dir gefunden hat. Vor 14 Tagen hatte dich ein solches verlassen. Vermulich hatte es dich doch geliebt und nun ein schlechtes Gewissen. So hat es im Hütchennet gebeten dass dich ein anderes auf deiner Wanderschaft begleitet.
Jetzt fehlt noch ein passender Name.