Eigentlich hatte ich heute morgen vor in die Morgendmesse zu gehen. Doch irgendwie fehlte mir der Schwung dafür. Daher ging ich mit Mildrid und René zusammen frühstücken. In dem riesigen Saal, ein anderer als gestern zum Abendessen, stand neben der riesigen Tafel ein runder Tisch, extra für Pilgerer. In mitten des Tisches stand eine Jakobusfigur. Es war sieben Uhr und wir waren die Ersten, neben zwei Angestellten. Ganz gemütlich und in Ruhe aßen wir und plauderten weiter. Ich war so begeistert von dem Kaffe und Kakao, dass ich mir immer wieder Nachschub holte. Ich war verblüfft wie viel in meinem Magen passte, denn ich trank rund vier Tassen Kaffe und drei große Gläser Kakao. Das war sooo lecker. Mein Gute-Laune-Pegel war u. A. durch das Frühstück voll aufgeladen. Nun konnte ich dem höchsten Punkt des Schweizer Jakobsweges, dem Hagenegg, ins Auge sehen. Rund 1400 Meter hoch ist der kleine Hügel.
Mildrid machte sich nach dem Frühstück direkt auf den Weg. Heute war ihr letzter Tag auf dem Jakobsweg und sie musste den Zug um Viertel nach fünf in Brunnen erwischen. Wer weiß, ob wir uns heute auf dem Weg nochmal begegnen, daher verabschiedeten wir uns von einander. Es war sehr schade und traurig Abschied nehmen zu müssen. Obwohl wir nur ein paar Tage zusammen verbracht hatten, kam es mir deutlich länger vor und ich hatte die Zeit wirklich sehr genossen. René und ich ließen es etwas ruhiger angehen und packten unsere Taschen in Ruhe und zogen dann allmählich los. Gegen halb neun machten wir uns langsam auf den Weg.
Da wir viel Zeit auf dem Weg hatten, kamen wir weiter ins Gespräch und erzählten uns gegenseitig unsere Lebensgeschichte. René erzählte mir wie er sich und seine Ex-Frau, mit der er drei Kinder hat, kennengelernt hatten und wie sie gemeinsam vor Jahren ihr eigenes Geschäft führten. Irgendwann nach rund 23 Ehejahren kam dann plötzlich die Trennung. Für René vollkommen überraschend, denn er wollte die Trennung eigentlich nicht. Doch seine damalige Frau wollte nicht mehr und wollte nun ihr eigenes Leben leben. Nach ein paar Bekanntschaften und einer nun neuen Beziehung entschied er sich 2017 den Jakosbweg in Spanien zu laufen. Die Geschichten die er dort erlebt hat, sind wirklich einmalig und spannend. Nach einer turbulenten Zeit ist er heutzutage nun glücklich mit seiner Freundin, die er auf dem Jakobsweg zufällig kennengelernt hat zusammen. Von Deutschland bis nach Italien ist er daher nun auf Wanderschaft, wobei er einen Teil der Strecke auf dem Jakobsweg läuft. Daher werden sich unsere Wege morgen wieder trennen. Das ist wirklich eine tolle Sache, wenn der Freund zu einem gewandert kommt. Eine sehr sehr schöne Geste.
Nach rund zwei Stunden Wanderschaft mussten wir nun den Berg erklimmen. René war etwas langsamer. Zunächst blieb ich auf gleicher Höhe, doch dann sagte René, dass ich ruhig in meinem eigenen Tempo laufen soll. Ich lief langsam in meinem Tempo, aber der Abstand wurde zunehmend größer. Auf halber Strecke nach oben traf, ich dann auf eine kleine Wandertuppe, die noch schnell ein Foto von mir und den Bergen machte. Als wir uns eine Weile unterhielten kam auch René etwas später hinzu. Kurz darauf liefen wir weiter und der Abstand wurde wieder etwas größer. Doch es war nicht mehr lang bis zur Spitze. Auf den letzten Kilometern erblickte ich eine Wanderin, die so aussah wie Mildrid. Ich legte an Tempo zu, um mich zu vergewissern, ob sie es ist. Als ich dann oben ankam und die Dame sich umdrehte, erkannte sie mich sofort und winkte mir zu. Es war Mildrid. Ich freute mich riesig, wir drei waren wieder vereint. Kurz nach mir kam nämlich auch schon René oben an. Ich war überglücklich diesen tollen Moment hoch oben auf dem Berg mit einer einzigartigrn Aussicht mit zwei so lieben Menschen verbringen zu dürfen und zu genießen. Einfach unbeschreiblich schön.
Nach einer kurzen Pause setzten wir unsere Reise von nun an zu dritt fort. Der Abstieg war genauso wie der Aufstieg, anstrengend, aber wir meisterten es wirklich sehr gut. Unten angekommen ging es durch das Dorf Schwyz und weiter in Richtung Brunnen. Wie eine kleine Karawane waren wir unterwegs ☺
Kurz bevor wir Brunnen erreichten liefen wir über verschiedene Wiesen mit Apfel- und Birnbäumen. Da wir alle einen kleinen Hunger hatten, kam der kleine Snack genau passend. Kurz darauf kam uns auch ein kleiner Junge entgegen gelaufen und sagte etwas auf schweizer Deutsch, was wir aber alle nicht verstanden. Seine Mutter, die nur ein paar Meter weiter entfernt stand, übersetzte dann für uns. Der kleine Gabriel wollte uns einfach nur in Brunnen willkommen heißen. Wie knuffig, dass uns ein kleiner Engel extra begrüßte. ?
René und ich legten kurz unser Gepäck im Kloster Ingenbohl ab und begleiteten Mildrid zu ihrem Zug. Nun hieß es wieder Abschied nehmen, aber ich war überglücklich, über die heutige gemeinsame Zeit. Wir bleiben in Kontakt, ganz bestimmt ? Als der Zug losfuhr, winkten wir noch hinterher, bis wir Mildrid nicht mehr sahen. Für René und mich hieß es dann auch schon unsere Magic-Tüten, die wir über TooGoodTooGo bestellt hatten, abzuholen. Mit unseren Tüten setzten wir uns an das wunderschöne Ufer von Brunnen und genossen die leckeren kleinen Speisen. Danach erkundete jeder für sich die Stadt, um natürlich auch ein paar Anrufe nach Hause zu tätigen.?
Als ich mich auf den Weg zum Kloster begab, kam ich mit einem jungen Mann, meines Alters, ins Gespräch. Er saß in dem Cafe “Die Kombüse” und lud mich zu einem Radler, dass in Einsiedeln im Kloster hergestellt wurde, ein. Es war richtig witzig und kurze Zeit später stellte sich heraus das der Inhaber ein Kölner ist, der nun schon seit einigen Jahren in der Schweiz lebt. Mal wieder, wie klein die Welt doch ist. Um sieben Uhr schloss die Kombüse und ich half noch eben mit beim Aufräumen. Danach begleiteten die Beiden mich bis zur Kreuzung kurz vor dem Klosten und wir verabschiedeten uns. Zwar war es nicht so lange aber es war eine wirklich tolle Zeit. Eine Wiederholung ist nicht ausgeschlossen ?
Für uns ist kein Berg zu hoch. Der Hagenegg ist doch nur ein Hügel ?
Hallo liebe Anna,
It was such an enriching experience to meet you. You and René were special companions the Camino has blessed me with. I‘ll always treasure those shared moments.
May your Way be blessed,
Love, Mildred