Tag 66: Das Alphornquartet

Ich musste die ganze Nacht schon auf die Toilette, doch ich hatte keine Lust mitten in der Nacht durch die Kälte auf die andere Straßenseite zu laufen. So kam es, dass ich bis morgens früh um sechs Uhr es aus hielt und allmählich aufstand. Es war noch dunkel und still, als ich geschwind zur Toilette lief. Wie ich das liebe, wenn die Welt gefühlt noch still steht und alles ruhig ist.

In aller Ruhe machte ich mir anschkießend im Gemeinschaftssaal mein Frühstück fertig. Heute morgen gab es Haferflocken in Milch mit Marmelade, Banane und Apfel, abgerundet mit einer leckeren Tasse Instand Kaffe von Néscafe.
Nebenbei schmöckerte ich wieder in den Seiten der schweizer katholischen Zeitung “Der Sonntag” und musste wieder schmunzeln. Einfach herrlich die Zeitung.

Wohl genährt packte ich meine Sachen und ging erneut auf die gegenüberliegende Seite um mich frisch zu machen. Als ich fertig war begrüßte mich erneut die kleine Bauernkatze. Ich hatte ein Déjá Vu. ? Eine letzte Streicheleinheit und dann ging es wieder auf Tour. Die kleine Katze verfolgte mich, wobei ich Sorge hatte, dass sie mir den ganzen Weg folgen würde, da sie so anfänglich war ? Ein letztes Mal sah ich mich um. Die Kleine saß auf der Mauer, unsere Blicke trafen sich und dann hieß es Lebewohl. Nie werde ich die kleine flauschige Maus vergessen.

Heute ging es nach Fribourg. Irgendwie fühlte es sich an, als würde ich in ein anderes Land gehen, denn nun kam ich in die französischsprachige Schweiz. Ich war schon sehr gespannt und auch etwas nervös, denn ich fragte mich, ob ich mich dennoch trotz meiner mageren französisch Kenntnisse durchboxen und verständigen könnte. Fribourg und weiter bis Genf betrachtete ich daher als nächstes Level, was mich ein wenig für den Grenzübergang nach Frankreich vorbereiten sollte. Augen zu und durch. ?

Kurz vor Fribourg traf ich direkt auf eine französischsprachige Pilgerguppe, die in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. Sie Sprachen mich an, jedoch Sprachen die mir viel zu schnell Französisch, so schnell konnte ich gar nicht folgen. Umso besser, dass eine Pilgerin deutsch sprechen konnte. ? Naja, aller Anfang ist schwer und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ein erster Testlauf. ?

Als ich dem Stadtzentrum von Fribourg immer näher kam wurde das Wetter zunehmend besser und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich war von der Stadt total fasziniert und begeistert. Überall gab es was zu gucken. So kam es dazu, dass ich die wunderschöne Einkaufspassage entlang schlenderte und plötzlich aus meinen Gedanken und der Faszination gerissen wurde. Zwei Mädels und ein Junge meines Alters, riefen über die gesamte Straße und fragten, ob ich auf dem Camino unterwegs sei. Sie saßen draußen an einem Tisch eines Restaurants. Ich kam zu ihnen an den Tisch und bejahte. Sie waren so aus dem Häuschen, dass ich ebenfalls direkt euphorisch wurde. Die drei erzählten mir, dass sie vor drei Jahren den Camino gelaufen seien und sich dabei kennengelernt haben. Seither treffen sie sich jedes Jahr, das diesjährige Treffen fand heute in Fribourg statt. Was für ein wunderbarer Zufall. Emilie, eine der beiden Frauen, wohnt in Frankreich, etwas weiter entfernt vom Jakobsweg. Dennoch bot sie mir an, dass ich bei ihr übernachten könnte, sie würde mich sogar am Weg abholen und am nächsten Tag wieder zurück bringen. Wow, wir kannten uns gerade mal fünf Minuten und sie bot mir direkt an bei sich zu übernachten. Einfach nur wundervoll. Der Jakobsweg hat seine ganz eigene Magie. ?

Als wir Nummern und Adresse ausgetauscht und Freundschaftsanfragen per Facebook gestellt hatten, ging es für mich weiter mit einem riesigen Grinsen im Gesicht. Ein Stück weiter kam ich erneut ins Gespräch. Ich suchte eine Bäckerei und irgendwie musste ich wohl hilflos ausgesehen haben. Wir unterhielten uns zunächst auf Französisch. Das klappte ganz ok, und ich verstand ein wenig. Doch dann hatte ich den Faden verloren. Der Mann fragte, ob mir Englisch lieber sei und ich nickte heftig. Er fing an zu lachen und irgendwie verquatschten wir uns rund eine halbe Stunde. Später bot er mir netter Weise sogar noch etwas zu trinken an und ich nahm ein Glas Orangensaft. Das kam genau richtig. Noch ein letztes Foto zur Erinnerung und weiter ging es zu einer weiteren Couchsurfingnacht.

Ich hatte diesmal gemischte Gefühle. Heute kam ich bei Marc unter. Marc ist ein 44-jähriger Couch und Trainer (eine Art Mentaler-Couch), welcher u. A. in der Universität arbeitet. Ich hatte bedenken, da er alles ganz genau abstimmen musste und der Austausch wenig locker war. Nun ja, mal sehen was mich erwarten würde. Als in ankam überreichte ich Marc, ein kleines Mitbringsel, worüber er sich sehr freute. Nach einer erfrischenden Dusche aßen wir zusammen die vorzügliche Apfelquische, die er extra zubereitet hatte. Die Unterhaltungen, die wir führten waren sehr schön und allmählich verließ mich der vorherige Eindruck, den ich von Marc hatte. Es war eine tolle Zeit. Marc fragte mich jegliches zum Jakobsweg. So kam es, dass wir ganz spontan entschieden in die Kirche zu gehen. Marc war nicht religiös, doch hin und wieder fand er es interessant in deutsche Messen zu gehen und diese mit zu erleben. Dort traf er ab und zu auch ein paar Bekannte aus der Universität.

In nur zehn Minuten erreichten wir die Kirchen und kamen noch pünktlich zur Abendmesse. Wir hatten Glück, denn heute war ein ganz besonderer Abend. Heute wurde die Messe musikalisch durch ein Alphornblasquartet begleitet. Als sie das erste Lied anstimmten, bekam ich sofort Gänsehaut, einfach unbeschreiblich schön. Live hatte ich so etwas nicht nie erlebt. Ich war überglücklich und dankte Marc im Anschluss an die Messe für das wunderbare Erlebnis. Danach gingen wir nicht zurück in Marcs Wohnung, sondern hatten noch die Möglichkeit an einem Apero mit dem Alphornblasquertet und den Geistlichen teilzunehmen. Marc kannte den einen Mann, der die Messe mit gestaltet und begleitet hatte. So kam es, dass der Mann uns sah und direkt mit einlud. Einfach genial. So gab es noch etwas leckeres zu trinken, ein paar Snacks und interessante Gespräche. Nach rund zwei Stunden verabschiedeten wir uns alle voneinander. Einfach toll. Ohne Marc wäre es nie dazu gekommen.

Der Regen hatten zum Glück nachgelassen, wodurch wir mehr oder weniger trocken in Marcs Wohnung wieder ankamen. Wir waren Hundemüde und gingen sofort schlafen. Was für ein fabelhafter Abend ?

Ein kleiner Mitschnitt von der wundervollen Melodie. Ein Traum.

2 Antworten auf „Tag 66: Das Alphornquartet“

  1. Wenn Worte zur Verständigung nicht reichen, dann halt nonverbal! Ich glaube sogar, dass das “authentischer” ist.
    Weiterhin schöne Erlebnisse und Begegungen

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