Als ich im großen Saal ein üppiges Frühstück zu mir nahm, traf ich wieder auf das schweizer Ehepaar, welches ich gestern auf dem Weg gleich zwei Mal getroffen hatte. Sie waren auch in dem Hostel untergekommen. Das war ja mal ein Zufall. Sie setzten sich kurz zu mir an den Tisch und wir unterhielten uns ein wenig. Wie schön, ein wenig Gesellschaft am Morgen. ?
Nach dem Pläuschchen holte ich schnell meinen Rucksack, zog an dem Automaten im Hostel noch zwei Kaffee-Kaltgetränke, da ich nicht wusste, ob es in der Uni die Möglichkeit gab sich einen Kaffee zu holen und machte mich geschwind auf den Weg.
Zum Glück hatte ich gestern ein kostenloses Busticket für gestern und heute erhalten. Das bekommt man beim Check-In wohl immer standardmäßig dazu. Mit dem Ticket fuhr ich nun gemütlich zur Uni, um mich wie vereinbart mit Laurent zu treffen. Inklusive kurzer Wartezeit auf den Bus, war ich in rund 15 Minuten an der Universität von Lausanne für Geologiewissenschaften angekommen. Von außen sah das Gebäude schon sehr schick aus. Als ich die Eingangstür erreichte schrieb ich Laurent kurz per WhatsApp an und fünf Minuten später war er auch schon unten. Ich packte die beiden Kaffees aus und wir unterhielten uns rund eine dreiviertel Stunde über einige Themen zu denen er gerade forschte. Wieder hatte ich das Gefühl, einen langjährigen Freund zu treffen. Es war locker und unbeschwert. Wir lachten, hatten Spaß und verbrachten eine gute Zeit. Doch dann wurde es allmählich Zeit. Ich musste mich mal langsam auf den Weg machen und Laurent musste noch Einiges für das morgige Lehrstuhl-Event vorbereiten. Denn morgen gab es eine Art Lehrstuhlausflug.
Der Camino war glücklicherweise gar nicht so weit von der Universität entfernt. So war ich innerhalb von 10 Minuten wieder auf dem richtigen Weg. Prompt kam ich mit einer Schweizerin ins Gespräch, die in der Nähe wohnte. Aktuell hatte sie Urlaub und verbrachte diesen mit ausgiebigen Spaziergängen am Morgen. Im Gegensatz zu mir hatte sie ihre zwanzig Kilometer fast geschafft. Wir liefen rund fünf Kilometer zusammen. Sie hatte schon ein ordentliches Tempo drauf. Aber wir beide gleichten und sehr gut an, ich wurde etwas schneller und sie etwas langsamer. Wir redeten über aktuelle Themen, aber auch über ihren Camino, den sie vor ein paar Jahren mir einer Freundin in Portugal lief. Es war wunderbar. Daher war ich betrübt, als sich unsere Wege wieder trennten, aber umso glücklicher wieder eine tolle Zeit mit einer tollen Person verbracht zu haben. ?
Am Genfersee weiter entlang, kam ich immer wieder in Gespräche mit verschiedenen Leuten. Darüber freute ich mich immer sehr, aber wenn das so weitergehen würde, würde ich mein heutiges Ziel, welches noch nicht genaue definiert war, nicht erreichen. Bei einem Gespräch kam es sogar dazu, dass eine ältere Dame, um die siebzig Jahre, mich mit ihrem Sohn, der um die vierzig Jahre sein musste und direkt neben ihr auf der Parkbank saß, verkuppeln wollte. ? Sie versuchte es zwar dezent, aber für mich wurde es nun definitiv Zeit weiterzugehen. Man erlebt die dollsten Sachen auf dem Jakobsweg. ?
Auch heute wusste ich noch nicht, wo ich schlafen sollte. Wie sich zur Mittagszeit herausstellte, war es leider nicht so einfach eine Unterkunft zu finden, wie anfänglich angenommen. Ich vermute, da ich nun allmählich in die Weinregion des Genfersees kam, dass eine günstige Übernachtung wohl eher die Ausnahme ist. Ich saß in Saint-Prex, hatte 20 Kilometer bereits hinter mir gebracht, fühlte mich immer noch gut und grübelte, was ich bezüglich der aktuellen Unterkunftsituation unternehmen sollte. Alle Herbergen und Hotels in der Nähe lagen deutlich über meinem Budget. 124€ für eine Nacht, da bin ich beinahe von der Bank gekippt, als ich den Betrag hörte. Die letzte Möglichkeit war in dem Hostel unte zukommen, in dem ich eigentlich erst Morgen ankommen sollte. Nun ja, bis dahin waren es weitere 20-25 Kilometer. Allerdings fühlte ich mich super, warum sollte ich daher nicht noch weiter laufen. Somit könnte ich dann Morgen ausspannen. Gesagt getan. Ich reservierte eine weitere Nacht und lief voller Euphorie los.
Nach dem letzten starken Regenschauer verflog zugleich meine Euphorie. Allmählich fingen meine Füße an zu schmerzen und jeder Schritt wurde zu einer Qual. Es tat irgendwann so weh, das ich richtig sauer wurde. Doch das half auch nicht weiter. Ich hatte noch 10 Kilometer vor mir und die musste ich schaffen, egal wie. Allerdings nicht mehr in diesen Schuhen. Bei der nächsten Gelegenheit zog ich die Schuhe aus und tauschte sie gegen meine Badelatschen ein. Ohhh, tat das gut. Eine richtige Wohltat. Nun lief es sich wesentlich besser, doch das Wetter sah verdammt kritisch aus. Ich hoffte innigst, dass es nicht noch zu einem weiteren Schauen kommt. Nasse Füße konnte ich jetzt am wenigsten gebrauchen. Doch ich hatte Glück. Das Wetter meinte es gut mit mir.
Mit schmerzenden und brennenden Beinen kam ich gegen halb acht endlich im Hostel an. Wow, ich hatte es wirklich geschafft. Man war ich stolz. Aber umso mehr freute ich mich auf eine heiße Dusche und ein gemütliches Bett. Das war nun mehrmals verdient. ? Als ich gerade in das Zimmer gehen wollte, traf ich auf Saskia, einem Mädel (rund zwei Jahre älter) die vor der Zimmertüre saß. Noch bevor ich meine Sachen ablegen konnte kamen wir ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie mit der anderen Frau auf dem Zimmer einfach nicht klar kommt und auf ein anderes Zimmer möchte. Ohje, Zickenkrieg und dabei wollte ich doch einfach nur meine Ruhe haben. Als ich Saskia fragte, was denn genau passiert sei, rückte sie nicht mit der Sprache raus. Nun ja, man muss sich auch immer beide Seiten anhören. Daher ließ ich es locker angehen und wollte mich überraschen lassen.
Meine andere Mitbewohnerin war bereits am schlafen. Ich packte daher leise meine Sachen aus und begab mich zur Dusche. Danach ging es direkt ins Bett. Saskia blieb im Endeffekt doch in unserem Zimmer, da sie davon ausging, dass eine dritte Person, die ich war, eine andere Dynamik und mehr Ruhe rein bringt. Mal sehen. Ich freute mich jedoch, dass Saskia weiterhin bei uns im Zimmer blieb, denn wir verstand uns recht gut. Da meine Beine immer noch so brannten, war an schlafen leider zunächst nicht zu denken, obwohl ich so kaputt war. Nach rund zwei Zeit-Podcasts später ging es jedoch langsam und ich wechselte ins Schlummerland.
Dieses Motivationslied musste es für die letzten Kilometer sein. ?
Das waren – nach meiner Rechnung- über 40 km!!! Meine Hochschtung.
So ein Tag verlangt Dir schon einiges ab! Am Abend hättest Du eine entspannte Atmosphäre verdient.
Aber na ja, morgen wird es sicher wieder besser.
Habe ich das nun überlesen oder ist Laurent so gefühlt der einzige, den Du nicht nach Aachen eingeladen hast?!? ? … obwohl er ja schon fast sowas wie Dein Alter Ego geworden war … ?