Tag 79: Ein kurzweiliger Weggefährte

Der Morgen begann recht gut. Der Regen hatte sich eingestellt und zu dem süßen Frühstück gab es hier in der Auberg frisches Obst dazu. Mal etwas gesundes, herrlich. Da sprang mein Herzchen in die Luft. Bei bestem Blick auf die Berge ließ ich mir mein Frühstück in aller Ruhe nun schmecken.

Bereit für einen nächsten ereignisreichen Tag, machte ich mich los auf den Weg. Bisher hatte ich auf dem Weg nie das Gefühl gehabt alleine zu sein, da ich stets so viele Leute traf, mich mit ihnen unterhielt und eine tolle Zeit verbrachte. Doch hier in Frankreich war alles anders. Couchsurfing war hier kaum möglich. Man fand keine entsprechenden Hosts. Und wenn man dann mal jemanden fand, dann gab es bisher stets eine Absage. So musste ich nach Herbergen, Hotels und Hostels Ausschau halten und war dadurch abends für mich alleine. Aber auch auf dem Weg fühlte man sich recht einsam. Mir kam es so vor als wäre Frankreich ausgestorben. Man sah kaum jemanden auf der Straße. Keine Fußgänger, keine Autos, niemanden. Ab und zu wurde man von bellenden Hunden aus seinen Gedanken gerissen, die ihr Teretorium beschützen wollten, doch mehr auch nicht. Ganz komisch. Wo waren die ganzen Leute, fragte ich mich.

Doch dann plötzlich stieß ich vor lauter Schreck einen lauten Schrei aus. Aus dem Nichts kam auf einmal links an mir vorbei ein Hund geschossen. Zunächst hatte ich Angst und dachte, dass er zurück kommt und mich anfallen möchte. Aber das hätten er zuvor ja schon tuen können, dachte ich. Ich drehte mich um, um zu schauen, ob ich sein Herrchen irgendwo sehen bzw. finden konnte. Doch niemand war zu sehen. Der Hund war vollkommen alleine unterwegs. Dann plötzlich kam der Hund wieder in meine Richtung gelaufen. Als er sah, das ich ihm folgte, drehte er wieder um und lief ein Stück weiter. Dann wieder, der Hund drehte sich wieder um, um sicherzugehen, ob ich noch hinter ihm war. Als er mich sah war er anscheinend beruhigt und lief wieder weiter. So ging das die ganze Zeit. Irgendwann rief ich ihn dann mal zu mir. Sofort kam er gelaufen und ließ sich streicheln. Dann sagte ich “Los, wir gehn weiter!”,und er lief sofort los, jedoch im entsprechenden Abstand und schaute immer wo ich war. Ich hatte einen Weggefährten gefunden? Ich konnte mein Glück kaum fassen. Als hin und wieder mal ein Auto vorbei kam rief ich ihn mit dem Namen “Charlie”. Umgehend kam er zu mir und wartere so lange bis die Autos vorbei gefahren waren. Ich machte Gedanken, nicht das der Besitzer seinen Hund schon schmerzlich vermisst. Charlie musste bereits schon 5 Kilometer mit mir mit gelaufen sein. Im nächsten Dorf an der Kirche sah ich einen Audi mit deutschem Kennzeichen stehen. Ja mega, jemand der Deutsch sprechen kann. Die drei Damen, die ein Stück weiter vom Auto, direkt an einer Infotafel standen, mussten bestimmt aus Deutschland kommen. So sprach ich sie an, ob sie mir evtl helfen könnten den Besitzer ausfindig zu machen. Doch sie kamen nicht aus Deutschland sondern aus Lyon und hatten nur einen kurzen Trip hierher gemacht. Ich erklärte ihnen die Situation. Eine von den drei Frauen ging direkt in das gegenüberliegende Bürgerbüro und holte den Pfarrer. Dem Pfarrer gehörte der Wagen mit dem deutschen Kennzeichen. Er arbeitete wohl, so wie ich es verstanden hatte, ab und zu in Frankfurt für eine Organisation. Als der Pfarrer hinaus kam, hatte Charlie sich bereits aus dem Staub gemacht. Er war einfach weiter gelaufen. Irgendwie war ich darüber sehr traurig, dass er einfach so gegangen war. Vielleicht hatte er gemerkt was los war und wollte nicht zurück ? Wer weiß. Vielleicht wollte er seine Freiheit ausleben.

Nach einen kleinen Pläuschchen mit den sehr netten Damen und dem witzigen Pfarrer , machte ich mich wieder auf den Weg. Langsam fing es an zu nieseln. Irgendwie waren meine Gedanken jedoch immer noch bei Charlie. Insgeheim hatte gehofft, dass Charlie mich ab heute nun für immer begleiten wird und hatte mir schon überlegt, wo ich für ihn was zu essen kaufen kann. Als ich im nächsten Dorf ankam, sah ich Charlie wieder und er begleitete mich wieder ein Stück. Man war ich happy ? Doch als es dann richtig anfing zu regnen, drehte Charlie sich um und suchte ein trockenes Plätzchen. Von da an trennten sich unsere Weg für immer und ich sah ihn das letzte Mal. Schade, es sollte einfach nicht so sein. Doch ich war froh in den Genuss gekommen zu sein einen kurzweiligen Companion gehabt zu haben. Charlie, ich werde dich nie vergessen. ?

Ab da an fing es dann richtig zu regnen. Hoch oben auf dem Berg machte ich unter dem Vorsprung einer Kappele kurz Rast und aß eine Kleinigkeit. Ich hatte die Hoffnung, dass der Regen aufhört. Jedoch war die Hoffnung vergebens. Es regnete ab jetzt den gesamten Tag durch. Zwei Stunden ging es durch das kühle nass. Umso glücklicher war ich, als ich endlich im Kloster ankam und die nassen Sachen auszogen konnte. Bei dem Regenwetter blieb ich nur noch auf meinem Zimmer, machte es mir gemütlich und ging meiner Lieblingsbeschäftigung, der Suche nach Unterkünften, nach. Diesmal war ich allerdings so frustriert, dass ich nicht mehr weiter wusste. Plötzlich fiel mir ein, dass ich doch mal die anderen Pilgerer in den Facebook-Gruppen zum Jakobsweg fragen könnte. Vielleicht hatten die ja ein paar Tipps für mich. Schnell schrieb ich eine Nachricht in die Gruppen und erklärte mein Problem. Ich war gespannt, ob mir evtl jemand weiterhelfen könnte.

Als ich die Nachricht verschickt hatte war es auch schon Zeit für das Abendessen, welches vorzüglich schmeckte. Es gab wiedermal drei Gänge und ich war prabsat. ? Mit einer vollen Kugel ging es dann direkt ins Bett. Für heute ließ ich es gut sein hinsichtlich der Suche nach einer Unterkunft und schaute meine Nachrichten nicht mehr nach. Guts Nächtle.

Mary, ein guter Freund von mir, hatte mir öfters schon gerschrieben und gesagt, dass ich doch mal live über den Camino berichten soll. Nun fand ich es eine super Gelegenheit und hab die Challenge angenommen und über Charlie berichtet. Nachfolgend ein kleiner spontaner Auszug ?

Eine Antwort auf „Tag 79: Ein kurzweiliger Weggefährte“

  1. Mit der live Berichterstattung, das ist eine tolle Idee. So bekomme ich neben den Fotos noch einen sehr “lebendigen” Eindruck von Deinen Erlebnissen.
    Zu Deiner Unterkunftsuche ist mir der Gedanke gekommen, ob nicht die grassierende Coronapandemie die Ursache sein könnte, die die Gastgeber ängstlich und zurückhaltend werden lässt.
    Mein Wunsch für Dich: bleibe gesund und treffe wieder auf gleichgesinnte, freundliche und gastfreundliche Menschen.

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