Tag 9: 30 km, let’s do it again.

Der Wecker klingelte um 6 Uhr morgens. Ich wog mich langsam aus dem gemütlichen und warmen Bett. Eigentlich wollte ich nicht aufstehen, doch es musste sein. Ich ging zum Fenster und wagte einen Blick raus. Der Rhein lag direkt vor mir. Ich konnte es immer noch kaum begreifen, wie schön es hier war.

Als ich um halb sieben von dem Waschsaal schnell in mein Zimmer huschte, traf ich auf Birgit. Da auf den Gängen striktes Redeverbot herrschte, gingen wir kurz in mein Zimmer, lernten uns kennen und unterhielten uns. Birgit erzählte mir, dass sie seid ein paar Wochen hier im Kloster lebte. Nach einem Wandel in ihrem Leben hatte sie sich dazu entschieden hierher zu kommen. Damals hatte sie sich nicht viel aus dem Glauben gemacht. Hatte ein ganz “normales” Leben geführt. Sie war nun kein verlorenes Schaaf mehr. Sie hatte ihre Bestimmung gefunden und spielte jeden Tag mit dem Gedanken komplett ins Kloster zu wechseln. Doch die radikale Umstellung sowie die Ausbildung in Maastricht (in dem Verbunskloster) machte es für sie schwer sich zu entscheiden. Sie hatte das Gefühl hierher nach Remagen zu gehören, hier war ihr Platz. Doch die Ausbildung sah vor, dass sie für eine Weile nach Maastricht geht (falls sie ganz ins Kloster wechseln sollte) . Das wollte sie nicht. Zudem kam hinzu, sollte sie sich für das vollumfängliche Leben im Kloster entscheiden, dass der Besuch bei Familie und Freunden kaum möglich war, da man sich komplett für den Ordnen aufopferte. Die Freiheit, ihre Familie und Freunde zu besuchen, wollte sie nicht gänzlich aufgeben, was ich vollkommen verstehen konnte und fühlte mit ihr. Birgit schien noch sehr unentschlossen und ich wünschte ihr von Herzen und hoffte für sie, dass sie ihren Weg bald finden würde.

Nach unserem Gesprächen ging wir gemeinsam zur Laudis. Wir mussten uns sputen, da es in wenigen Minuten losging. Die Laudis ist das erste Gebet des Tages, welches gemeinschaftlich als Chorgebet einer Ordnensgemeinschaft vollzogen wird. Ich freute und fühlte mich geehrt, als ich gegen Ende der Laudis den Segen für meine Reise ausgesprochen bekam. Ein wirklich sehr schönes Gefühl. Anschließend ging es direkt weiter in die Morgenmesse.

Als diese gegen viertel vor neun vorbei war, öffnete ich meine Hand, in der ich das Kreuz meiner Mutter hielt. Sie hatte es mir an dem Wochenende vor meiner Reise mitgegeben und sollte mich beschützen. Die ganze Zeit, die ich in dem Kloster verbrachte, trug ich das Kreuz bei mir. Nichts war passiert, doch plötzlich war es kaputt. Ein Faden hatte sich gelöst und so hing das Kreuz nur noch an einem Band. Schicksal, oder steckte was anderes dahinter? Ich grübelte, doch als wir im Gemeinschaftsraum ankamen, in dem wir alle zusammen frühstückten, kam ich schnell auf andere Gedanken. Denn Birgit, nicht die von heute morgen, sondern eine andere Ordensschwester, hatte Namenstag. Auf ihrem Platz stand eine wunderschöne Rose aus dem Klostergarten. Um ihren Teller lagen kleine Geschenke und Briefe. Alles war liebevoll und mit bedacht hergerichtet. Ich war beeindruckt. Zum Fest des Tages sangen wir ein Lied, was ich vom Rhythmus her gar nicht schlecht fand. Ich wippte sogar im Takt mit. Danach gab es endlich Kaffe. Man schmeckte der Kaffe gut, dachte ich und hörte ganz gespannt den verschiedenen Gesprächen über Gott und die Welt zu.

Dann hieß es aber schon bald Abschied nehmen. Die Schwestern und Brüder waren alle so nett und freundlich zu mir, sodass ich ihnen versprach mich von meiner Reise auf dem Jakobsweg mit einem Brief zu melden. Leider neigte sich eine weitere tolle Zeit dem Ende.

Ich drehte mich ein letztes Mal zur Kirche um und machte noch schnell ein Foto. In Gedanken bedankte ich mich nochmals bei allen für ihre Herzlichkeit und die Einblicke und sah meinen nächsten 30 Kilometern ins Auge. Irgendwie schien es diesmal jedoch leichter zu sein. Obwohl es wieder bergauf und -ab ging und das Wetter wieder bombastisch war, lief es super.

Der Wanderweg hatte es zwischenzeitlich wirklich in sich. Meine Familie machte sich Sorgen, dass ich auf nicht so nette Leute treffen könnte, die nichts Gutes im Sinn hatten. Als ich von meinem sehr schmalen Wanderweg jedoch den Abhang hinunter blickte, kam mir der Gedanke, dass die Gefahr eventuell größer sei, bei meiner Tollpatschigkeit herunter zu stürzen und mich lebensgefährlich zu verletzten. ? Schnell war die Gefahr gebannt und es ging glücklicherweise wieder sicher bergab.

Endlich kam ich gegen sechs Uhr abends in Andernach an. Was für ein tolles Gefühl wieder die 30 km geschafft zu haben. Yes! Nur noch ein paar Meter und ich hatte mein Billighotel erreicht. Entspannung konnten meine Füße nun gut gebrauchen. Als ich in meinem Bett so da lag, merkte ich, dass irgendwas fehlte. Dank Couchsurfing, Hostel und Kloster hatte ich abends immer jemanden mit dem ich mich austauschte. Heute Abend war es allerdings anders. Keiner war dort, nur ich alleine auf meinem Zimmer. Komisch. Ich merkte, wie sehr ich mich in der kurzen Zeit daran gewöhnt hatte. Und so entschloss ich früh schlafen zu gehen. Vielleicht hatte in meinen Träumen jemand Lust mit mir zu reden ?

Eine Antwort auf „Tag 9: 30 km, let’s do it again.“

  1. Liebe Anna,
    Wir kennen uns nur flüchtig, jedoch hat Ilona mir den Link zu Deinem Jakobsweg zu gesandt und so kann ich in Gedanken “mitgehen”.
    Viele beeindruckende Menschen und Erlebnisse sind Dir bereits begegnet. Sammele alles wie unvergessliche Kostbarkeiten.
    Ich wünsche Dir weiterhin einen glücklichen Weg.

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