Nachdem ich den letzten Schluck Kaffe bei Jola getrunken hatte und dem Familienhund Coco noch schnell zum Geburtstag gratulierte, machte ich mich auch schon wieder los auf den Jakobsweg mit dem heutigen Ziel Kerpen. Kerpen, die letzte Station vor der Mammuttour in Richtung Köln. Um genügend Kräfte zu sammeln, entschied ich mich an dem Morgen den Bus in Richtung Annaplatz zu nehmen, dort wo ich gestern meinen Weg beendet hatte. Als ich die Haltestelle erreichte, begrüßte mich ein Mann mittleren Alters im Rollstuhl. Wir mussten beide rund 15 Minuten auf unseren Bus warten. Daher vertrieben wir uns die Zeit mit einen kleinen, netten Pläuschchen. Er erzählte mir u. a. , wie er sein linkes Bein verloren hatte. Eine Verkettung diverser Erkranungen und unglücklicher Zufälle führte dazu, dass er nun sein Leben im Rollstuhl verbringen musste. Ich musste schwer schlucken. Trotz der tragischen Geschichte, die sich vor drei Jahren ereignete, hatte er einen eisernen Lebensmut, welchen ich sehr bewunderte. In dem Moment wurde mir wieder deutlich, dass unsere Gesundheit das Wichtigste ist. Auch wenn meine Beine schmerzten, war ich unheimlich froh diesen Schmerz zu spüren. Ich dankte meinen Füßen, dass sie diese Strapazen mit mir durchmachten und es mir so gut ging.
Von Düren aus bis zum nächsten Dörfchen lag nun ein langer Feldweg vor mir. Rundherum war keine Menschenseele zu sehen. Ich hörte meine Motivationsmusik und kam plötzlich auf die Idee lautstark mitzusingen. Dank meiner reizenden Stimme wäre mir freiwillig keiner zu nahe gekommen. ? Einfach mal laut mitträllern; das musste unbedingt mal wieder sein.
Auf halber Strecke machte ich dann Pause auf einer Bank direkt an einer Pferdekoppel – endlich. Ich zog meine Schuhe aus, packte den Apfel und die Nektariene aus, die Jola mir für den Weg mitgegeben hatte, legte mich auf die Bank und genoss das Leben. Plötzlich kam ein Bauer auf einem Traktor angerollt, der einen Ballen Stroh für die Pferde brachte. Nachdem alles für die Vierbeiner hergerichtet war, stutze er das Gestrüpp der Koppel und fuhr in mehreren Schleifen an mir vorbei. Bei jedem vorbeifahren wunken wir uns zu , was mir stets ein Lächeln auf die Wangen zauberte. Als ich nach einer Weile dann meine Pause beendete und los ging, kam ein lautes Motivationshupen vom anderen Ende der Koppel. Ich winkte ein letztes Mal und die Motivation war noch größer. Ich bekam das Grinsen von meinem Gesicht nicht mehr weg. Gerade die kleinen Dinge im Leben machen es oftmals aus, dachte ich.
Der Weg führte mich erneut über kleine, schnuckelige Dörfer, die ich unbedingt nach meiner Rückkehr nochmal besuchen musste, so mein Gedanke. Einfach nur schön, was man alles zu Gesicht bekommt. Somit kam ich dann schlussendlich in Kerpen an. Vorgestellt hatte ich mir Kerpen als eine große Stadt, so ähnlich wie Düren, aber das Gegenteil erwartete mich. Klasse – eine tolle Stadt. Ich huschte schnell in die St. Martinus Kirche, um dort den nächsten Stempel in meinem Heft zu verewigen. Schnell gestempelt und nochmal kurz in die letzte Bank gesetzt für eine kleine Verschnaufpause. Plötzlich zuckte mein ganzer Körper. Ich hatte mich tierisch erschrocken, da die Orgel angefangen hatte zu spielen. Wie geil ist das denn, dachte ich. Mein persönliches Empfangskomitees mit super Musik. Das wollte ich noch etwas länger genießen und verweilte dort.
Am Abend lernte ich dann Felicitas kennen, meine zweite Couchsurfing-Nacht. Wir waren direkt auf einer Wellenlänge und führten beim Essen, welches sie extra vorbereitet hatte, tiefgründige Gespräche. Es gab Nudelauflauf mit ganz viel Käse. Ich war im Himmel. Das beste Essen, um bestens für den nächsten Tag vorbereitet zu sein.