Am nächsten Morgen im Andernacher Billighotel (was sehr gut war) gab es Frühstück mit einem Ei. Als ich an dem frisch aufgeschlagenen Ei roch und den ersten Bissen nahm, war ich im Himmel. Ich hatte schon ewig kein Ei mehr gegessen und genoss es in vollen Zügen. Mit Proteinen gut gestärkt ging die nächste größere Tour von 29 km in Richtung Koblenz los. Let’s go!
Als ich los ging und mir Andernach so anschaute fiel mir prompt ein, dass ich vor Jahren schon mal hier war. Damals nahm mich mein Ex-Freund das erste Mal zu einer Rennstrecke für kleine ferngesteuerte Autos mit. Dies war sein Hobby, worin er auch sehr gut war und Meisterschaften fuhr. Allerdings wusste ich noch genau, wie gelangweilt ich damals auf dem Andernacher RC-Platz saß, denn ich konnte mich nie für den Sport begeistern. Über 10 Jahre musste das schon her sein. Verdammt, wie schnell die Zeit vergeht, dachte ich. Und so lief ich weiter und versuchte den Weg zu navigieren. Kurz bevor ich Andernach verlassen sollte, war ich plötzlich verdutzt und konnte es kaum fassen. Der Jakobsweg führte direkt an der RC-Strecke vorbei, an die ich eben gedacht hatte. Manchmal ist es wirklich komisch. Zurück war ich nun in der Vergangenheit und dachte über ein paar Dinge nach. Ich dachte an verschiedene Momente zurück und mir wurde klar, dass ich nicht immer die beste Freundin in der damaligen Beziehung war und auch einige Fehler gemacht hatte. Im Nachhinein tut es mir leid und ich würde mich gerne dafür entschuldigen. Aber dennoch mussten diese Fehler gemacht werden, denn sonst hätte ich heutzutage nicht diesen wundervollen Mann an meiner Seite, den ich von ganzem Herzen liebe. Ich bin unfassbar dankbar, André an meiner Seite zu haben und freue mich schon sehr auf unsere weitere gemeinsame Zukunft. Ich liebe dich. Schlussendlich hoffe ich und wünsche ich Björn und seiner kleinen Familie von Herzen alles erdenklich Gute und bedanke mich in Gedanken für die neun gemeinsamen Jahre.
Ich ließ die alten Zeiten nun in Andernach hinter mir und ging schnurstracks in Richtung Koblenz weiter. Auf dem Weg dorthin traf ich auf zwei ältere, nette Bauern (Onkel und Neffe), die mit vollster Begeisterung einem höchst modernen Traktor der Firma CLAAS beim Mähdreschen zuschauten. Sie standen richtig gebannt da. Was ein Traktor doch für Emotionen auslösen kann. ? Sie standen mitten auf dem Weg, mit ihrem in die Jahre gekommenen Traktor. Als ich gerade an Ihnen vorbei gehen wollte kamen wir sofort ins Gespräch. Ich liebte diese Unterhaltung, denn der jüngste der Beiden, der Neffe, war ein richtiger Geschichtenerzähler. Die Dorfgeschichten, die er zu berichten hatte, erzählte er mit seinem ganzen Körper und voller Emotionen. Er tanzte förmlich auf dem Feld. Ich war vollkommen fasziniert und komplett im Bann seiner Geschichten gefesselt. Das Highlight des Treffens war jedoch der ältere Herr, der Onkel, mit seinem Rollator auf dem kleinen Traktorenanhänger. Sein Neffe hatte ihm auf dem kleinen Anhänger einen Küchenstuhl arrangiert, auf dem er saß, sodass sie zusammen zum Feld fahren und sich die Hightech-Maschine anschauen konnten. Einfach nur grandios. So etwas gibt es wirklich nur auf dem Dorf. Schnell fragte ich beide, ob ich noch ein Erinnerungsfoto machen dürfte und zückte mein Handy. Perfekt, im Kasten. Und so verabschiedeten wir uns und wünschten uns gegenseitig alles Gute.
Ein Stück weiter auf dem Jakobsweg sah ich in der Ferne eine ältere Dame, die mit ihrem Hund spazieren ging. Ich kam ihr mit jedem Schritt näher. Sie und ihr Hunden konnten wohl nicht so schnell laufen, das sah man an dem leichten Humpeln. Wir waren nun auf gleicher Höhe und plötzlich sprach sie mich von der Seite an. Edith, so stellte Sie sich vor, fragte mich bis ins kleinste Detail nach meiner Reise aus. Sie war vollkommen fasziniert und konnte kaum glauben was ich vor hatte. Wir spazierten zusammen weiter bis zu ihrem Auto. Natürlich in ihrem Tempo, dens sie hatte vor kurzem eine Hüftoperation. Wir wurden uns mehr und mehr sympatischer und lachten zusammen. Am Ende lud Edith mich zu sich nach Hause ein, um gemütlich ein Käffchen mit ihr zu trinken. Ich musste jedoch leider ablehnen, da ich vor sechs noch in Koblenz ankommen wollte. So hatte ich es meinem Couchsurfinghost versprochen. Zur Verabschiedung drückten wir uns wie alte Freunde und winkten bis wir uns nicht mehr sahen. Einfach nur wundervoll.
Mit etwas Verspätung erreichte ich Koblenz und holte mir noch flux den Stempel für mein Jakobsheftchen in der City Kirche. Von da aus waren es noch 20 Minuten bis zur nächsten Couchsurfingnacht. Heute bei Heiko. Ich freute mich schon, da wir vorher locker hin und her geschrieben hatten. Allerdings war ich, wie bei jedem Mal, sehr gespannt, was mich wohl erwarten würde. So, die letzte Hürde war genommen und ich kam im sechsten Stock an. Es gab keinen Aufzug. Im Wohnzimmer angekommen musste ich erst einmal ein paar tiefe Atemzüge nehmen. Nachdem wir uns kurz begrüßt und ein paar Sätze miteinander gewechselt hatten, fragte er mich, ob es in Ordnung wäre, wenn noch ein weiterer Couchsurfer namens Patrick hier schlafen würde (bei Heiko mit im Bett). Ein Notfall. Na klar, sagte ich, das ist für mich kein Problem. Patrick kam rund 30 Minuten nach mir. Bis dahin quatschen Heiko und ich. Heiko erzählte von seinem wirklich spannenden Lebenslauf und seine bisherigen Männerbeziehungen. Ich hörte ihm unheimlich gerne zu. Vielleicht lag es auch daran, dass er nebenbei als Moderator tätig ist und dies einfach perfekt kann. Als Patrick kam hüpfte ich schnell unter die Dusche. Von der langen Tour hatte ich einen ordentlichen Duft an mir ?. Frisch geduscht kam ich wieder ins Wohnzimmer und gesellte mich mit in die Runde. Wir hatten alle einen tierischen Hunger. Nur zwei Meter weiter gab es eine Pizzabude, die Heiko wärmstens empfehlen konnte. Schnell war die Entscheidung gefallen und wir bestellten Pizza. Patrick hatte von seiner Weinschulung einen vollmundigen und fruchtigen Wein mitgebracht, der bestens zur Pizza passte (meiner Meinung nach). Und so wurde es ein unvergesslicher Abend, der einfach nur perfekt war. Horoskope waren an dem Abend unser Lieblingsthema, auf das wir immer wieder zurück kamen. Um 23 Uhr wollten wir dann das erste Mal alle ins Bett. Das scheiterte aber kläglich. Den nächsten Versucht starteten wir um 24 Uhr und scheiterten wieder. Doch beim dritten Mal um halb eins, klappte es dann. ? Hätten Patrick und ich am nächsten Morgen nicht so früh aufstehen müssen, dann hätten wir sicherlich die ganze Nacht durchgequatscht.