Der nächste Morgen war von vielen tollen Überraschungen geprägt. Die erste Überraschung erfolgte eigentlich schon gestern Abend, als Pater Büning und ich den zeitlichen Ablauf des nächsten Tages kurz besprachen. Die Überraschung: Pater Büning fragte mich, ob ich zum Frühstück gerne ein Ei hätte. Ich freute mich sehr, zögerte aber etwas mit meiner Antwort, da ich keinen unnötigen Aufwand erzeugen wollte. Da ich nicht recht wusste, was ich sagen sollte, füllte Pater Büning die Lücke und erzählte, dass er vor meiner Anreise meinen Blog studiert hatte. Unter anderem hatte er den Beitrag gelesen, als ich in Andernach war und mich dort so sehr über das Ei gefreut hatte. Ich war überrascht und freute mich sehr. Das Angebot konnte ich nun natürlich nicht abschlagen und freute mich schon sehr auf das Frühstück am nächsten Morgen. Endlich wieder neue Proteine ?
Als ich das Esszimmer betrat erfolgte die zweite Überraschung. Pater Kames saß am Frühstückstisch. Was für eine wundervolle Überraschung. Damit hatte ich nicht gerechnet und war begeistert, dass ich ihn doch noch persönlich kennenlernen durfte, um mich für das einzigartige Erlebnis bedanken zu können. Wie es dazu kam, dass Pater Kames wieder vor Ort war: Am Vortag hatte er kurzfristig eine wichtige Angelegenheit in Bingen zu erledigen. Zurück an den Ort, wo er zuvor war, konnte er nicht, dafür war er zu müde. Daher entschloss es sich kurzfristig ins Kloster für eine Nacht zurückzukehren und dort zu schlafen.
Wir setzen uns alle gemeinsam an den Tisch und frühstückten gemütlich. Währenddessen erzählte Pater Kames Anekdoten der vergangenen Jahre. Es war unheimlich spannend, sodass wir die Zeit ganz vergaßen.
Es stellte sich sogar heraus, dass beide Patres Fans vom Mönchengladbacher Fußballverein Borussia sind, genau wie ich. Die Passion für den VfL ist bei Pater Kames sogar so groß, dass er ein Jünter-Kostüm geschenkt bekam und
es zu Fasching ausgeführt hatte. Ich war vollkommen aus dem Häuschen als Pater Kames das Kostüm extra für Pater Büning und mich anzog und präsentierte. Wir haben uns köstlich amüsiert und dieser Moment musste natürlich in einem Foto festgehalten werden.
Dann ging auch leider diese schöne Zeit abermals vorbei und es hieß Abschied nehmen. Doch man sieht sich immer zwei Mal im Leben und das zweite Mal hatten wir bereits bestimmt. Bei unserem zweiten Treffen werden wir uns gemeinsam ein Gladbachspiel anschauen. ?
Der Linksrheinische Jakobsweg war nun ab Bingen vorbei. Schnell hatten wir noch ein Selfie gemacht und dann ging es auch schon los. Nach ein paar Metern kam ich an ein Tor an, durch welches der Weg führte. Dies war für mich der symbolische Abschluss für eine bereits wundervolle und unvergessliche Zeit auf dem Linksrheinischen Weg. Nun begann ein neuer Abschnitt und ich war schon sehr gespannt darauf, welche weitern Geschichten hinter dem Tor auf mich warteten.
Heute hatte ich es besonders eilig, denn es erwarte mich eine weitere Überraschung. Mein Vater und sein Freund Frank machten eine Motorradtour und wollten mich besuchen kommen. Ich freute mich unheimlich und legte einen Schritt zu. Ich wollte ja nicht zu spät ankommen. Wir wollten uns direkt am Wohnmobilstellplatz treffen, dort wo ich das erste Mal in meinem Zelt übernachten sollte.
Auf halben Weg zum Stellplatz merkte ich jedoch plötzlich, wie es wieder im Schuh zwickte. Es waren mal wieder meine drei Blasen, die sich bemerkbar machten. Ich machte Rast an einer Bushaltestelle und zog die Schuhe sofort aus, um nach dem Rechten zu schauen. Dabei merkte ich, dass die Blasenpflaster verrutscht waren und nicht mehr dort klebten wo sie kleben sollten. Durch die Hitze und den Schweiß hatten sie die Position gewechselt. Plötzlich stieg mir auch ein unangenehmer Geruch in die Nase und das war nicht der Schweiß von den Füßen. Die Blasen fingen an zu stinken. ? Was konnte das nur bedeuten, fragte ich mich und rief prompt meine Mutter an und fragte nach Rat. Wenn die Wunde bzw. Blasenflüssigkeit stinkt, sind Keime in der Wunde. Das ist gar nicht gut, hörte ich die mahnenden Worte durch den Apparat von meiner Mutter ertönen. Gut desinfizieren und am besten an der Luft trocknen lassen, war der Rat meiner lieben und fürsorglichen Mutter. Umso ehrgeiziger war ich nun, am heutigen Ziel anzukommen und die Wunden direkt zu versorgen.
Endlich, ich hatte es geschafft und suchte mir einen schönen, schattigen Stellplatz für mein Zelt. Freundlicherweise durfte ich eine Nacht auf dem Stellplatz, auf dem eigentlich nur Wohnmobile erlaubt waren, verbringen. Ich war sehr dankbar dafür, da sich die Suche nach Unterkünften, insbesondere auf den kleineren Dörfern, stets als Herausforderung darstellte. In nur wenigen Minuten hatte ich mein Eigenheim aufgebaut und es mir schon heimisch gemacht. Der Besuch konnte nun kommen ?
Während ich auf meinen Vater und seinen Freund wartete, kam ich mit meinen Nachbarn ins Gespräch. Als wir uns so unterhielten, stellte sich heraus, dass sie aus Viersen, meiner Heimat, kamen. Was für ein Zufall, dachte ich und war verblüfft. So klein ist die Welt. Bekannte in der Nähe zu haben, gab mir ein sicheres und beruhigendes Gefühl für die bevorstehende Nacht.
In der Ferne hörte ich zwei Motorräder. Direkt sprang ich auf. Das konnte nur mein Vater sein und so war es auch. Mein Herz tanzte vor Freude und ich bekam das Grinsen nicht mehr von meinem Gesicht, als sie auf den Stellplatz fuhren. Ich begrüßte beide mit einer dicken Umarmungen und stellte ihnen mein Eigenheim vor. Sie hatten eine Strecke von rund 380 Kilometer zurückgelegt und brauchten nun zunächst eine kleine Pause auf dem gemütlichen Rasen. Wie Hippies saßen wir vor meinem Zelt, was aber seinen gewissen Charme hatte. ?
Allmählich bekamen wir alle drei Hunger und gingen bzw. fuhren zu dem einzigen Restaurant, was es im Dorf gab. Dort klöhnten wir weiter und genossen die gemeinsame Zeit. Es war einfach wunderschön, doch die Zeit ging leider viel zu schnell vorbei. So hieß es nach dem vorzüglichen Essen Abschied nehmen. Aber zuvor mussten wir noch ein paar Erinnerungsbilder schießen. Ich winkte beiden noch hinterher, bis ich sie nicht mehr sah und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Zelt. Bevor es aber zurück ging machte ich noch einen kleinen Abstecher auf den Friedhof, um noch schnell ein paar Klamotten an dem Wasserbrunnen zu waschen. Zum Glück lag dieser auf dem Weg. ?
Als die Dämmerung einsetzte und es zunehmend stiller auf dem Platz wurde, verkroch ich mich langsam in mein Eigenheim und machte es mir gemütlich. Im Haus direkt neben dem Stellplatz fing jemand an Klavier zu spielen und das verdammt gut. Die Musik war so schön und beruhigend, dass ich sofort einschlief.
“Die Erinnerung ist das einzige Paradies aus dem man nicht vertrieben werden kann.” Fernöstliche Weisheit
Mir scheint, dass Du in jedem Moment Deiner Reise Erfahrungen, Ereignisse mit den unterschiedlichen Menschen sammelst und Dein ganz individuelles “Paradies” schaffst.
Weiter eine gute Reise, trotz protestierender Füße und viele unerwartete bereichernde Begegnungen.
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︱ ︶ヽ Miau! Schnurr
_U U c )ノ