Mittlerweile brauche ich den Wecker gar nicht mehr. Es hat sich eingependelt, dass ich morgens, kurz bevor der Wecker los geht, wach werde. So auch heute morgen. Ausgeschlafen stand ich auf, packte meine Sachen und blieb kurz gebannt stehen, als ich aus dem Fenster raus sah. Die Sonne ging über den Dächern von Speyer auf und es sah einfach nur wunderschön aus. Heute sollte es wieder ein heißer Tag werden, daher wollte ich recht früh los, um nicht in die Mittagssonne zu geraten. Theresa stand gerade auf, als ich mich so halb auf den Weg nach draußen machte. Ich freute mich, dass ich mich von ihr noch kurz verabschieden und auch ein Treffen in Aachen vereinbaren konnte. ? Adrian lag noch im Bett, aber aus dem Schlafzimmer ertönte ein herzliches “mach’s gut und viel Erfolg”. Wieder einmal war ich sehr dankbar für dieses tolle Erlebnis und begab mich nun in ein neues.
Speyer war an dem Morgen so gut wie leer gefegt. Das war perfekt, denn so konnte ich noch schnell ein paar Erinnerungsbilder vom Dom schießen, ohne Touristen. ? Von dort aus ging es dann ganz gemütlich auf die Brücke, über den Rhein, von Rheinland-Pflalz nach Baden-Württemberg stets der Sonne entgegen. Ich atmete die frische Luft ein und war einfach nur glücklich.
Nach einer Weile kam ich im ersten Dörfchen von rund fünf, die ich heute passieren sollte, an. Ich erspähte einen Lotto-Totto-Laden und wechselte die Straßenseite, um dort nach Briefmarken zu fragen. Denn ich wollte meinen Liebsten eine kleine Freude bereiten und ganz altmodisch ein paar Postkarten verschicken. Dazu brauchte ich aber noch ein paar Briefmarken. Als ich gerade in den Laden rein wollte, kam mir ein kleiner Junge entgegen. Er fragte “Was machst du?”. Irritiert antwortete ich “Ähhh, etwas einkaufen?” “Nein, das meine ich nicht”, sagte er und zeigte dabei auf meinen übergroßen Rucksack. Beim reingehen erzählte ich ihm kurz meine Geschichte. Er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und fragte alles Mögliche. Der Kleine war so zuckersüß, er bot mir sogar einen Schlafplatz bei sich zu Hause an, welchen er mir direkt zeigen wollte. War der Kleine knuffig und aufgeweckt. ? Es stellte sich heraus, dass der Kleine der Sohn vom Ladeninhaber ist, welcher nebenbei die Zeitung einräumte und unsere kleine Konversation verfolgte. Plötzlich sagte sein Papa “Biete der Dame doch einen Kaffe an”. Das machte der Kleine sofort, spurtete zur Kaffeemaschine los und fragte durch den gesamten Laden, wie ich meinen Kaffe gerne hätte. Es war richtig toll und so verbachte ich noch ein paar Minuten im Laden und klängerte mit den Beiden. Allmählich wurde es wieder Zeit weiterzuziehen, schweren Herzens. Der Kleine begleitete mich noch bis zur Straßenecke, natürlich mit dem Einverstänis seines Vaters und sagte, dass ich sie unbedingt nochmal besuchen müsste. “Das könnte etwas dauern, aber ich versuche mein Bestes” versprach ich ihm. Hoch oben vom Mülleimer aus winkte er mir hinterher und ich natürlich zurück, bis wir uns nicht mehr sahen. Ich bekam das Grinsen kaum mehr von meinen Wangen und genoß jeden Schluck vom Kaffe. Das Tat richtig gut.
Weiter ging es an verschiedenen Feldern vorbei. Unter anderem ging es an einer Rollrasenproduktion vorbei. So etwas hatte ich bisher noch nicht gesehen. Umso spannender fand ich es. Zuerst, als ich die Felder sah, fragte ich mich, ob hier Golf gespielt wird, da der Rasen 1A gepflegt war. Doch irgendwie fehlte da Einiges. Später sah ich dann die Gerätschaften, die die Rasenfelder izusammenschnitten und aufrollten. Echt spannend.
Kurz vor Malsch reihten sich nach und nach verschiedene Apfelbäume auf der Wiese rechts neben mir auf. Direkt guckte ich mir ein paar Äpfel aus, denn die Stadt Rauenberg forderte mit einem kleinen Schild an jedem Baum dazu auf, sich ein paar Äpfel zu pflücken. Mega gut. Das könnte doch auch eine super Idee für viele andere Städte sein, dachte ich.
Nur rund 10 Minuten war ich noch von meiner heutigen Übernachtungsstätte entfernt. Bevor es dort hin gehen sollte musste ich noch fix in die Kappele den Jakobsstempel holen. Die Kappele stand hoch oben auf einem Berg, wovon man einen einmaligen Ausblick hatte. Für solche besonderen Momente war ich immer besonders dankbar. Vor der Kapelle standen einige Ruhebänke. Direkt am Eingang saß ein Mann auf einer der vielen Bänke. Er hatte ein Buch auf seinem Schoß liegen und schrieb irgendetwas hinein. An diesen wunderbaren und stillen Ort würde ich auch gerne öfters bspw. zum Nachdenken hinkommen, wenn ich könnte. ? Wir grüßten uns freundlich und dann verschwand ich in die Kappelle. Nach kurzer Zeit kam ich wieder raus. Ich musste unheimlich dringend auf Toilette. Zum Glück war es nicht mehr so weit bis zum heutigen Fremdenzimmer. Beim Verlassen der Kappelle und des Platzes kam ich wieder an dem Mann vorbei der mich fragte, ob ich mich nicht ein paar Minuten dazu setzten möchte. Na gut, 5 Minuten hatte ich, bevor es dann zur wirklich kritischen Toilettenphase kommen sollte. Ich setzte mich auf die Bank und fragte den Mann, welcher sich als Achim vorstellte, was er hier so machte. Er erzählte mir von seinem Glauben, aber auch von der sehr schweren Zeit, die er in seinem Leben durchgemacht hatte. Das war schon krass, doch er hatte neuen Lebensmut gefasst und war mit einer Stimme gesegnet worden, die heilende Kräfte haben soll. Ich war neugierig und fragte Achim, ob er nicht ein Lied singen könnte. Etwas zögerlich und schüchtern stimmte er zu und stand auf. “Warum stehst du auf” fragte ich. Darauf Achim “Ich würde gerne in der Kapelle singen”. Ok, dachte ich und wir gingen in die Kapelle. Wir setzten uns hin, er in die linke und ich in die recht Bankreihe. Nach einem kurzen Moment fing er an. Mir klappte die Kinnlade herunter. Was war das für eine schöne Stimme. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als das Lied vorbei war, fragte ich ihn, ob er nicht noch ein weiteres Lied singen könnte, welches ich aufnehmen dürfte. Er sang ein zweites Lied, welches extra für mich von einer höheren Bestimmung ausgewählt wurde. Ich fühlte mich geehrt und war wieder komplett sprachlos. Es war einfach der Hammer. Nach dem Lied, sagte ich Achim, dass er unbedingt dabei bleiben sollte. Das war so klar, wie das Amen in der Kirche. Jetzt musste ich leider los. Gerne hätte ich länger mit ihm gesprochen, aber meine Verdauung meldete sich. Zum Abschied ließen wir noch schnell ein Bild von einer Dame machen, die mit ihrem Sohn Rast vor der Kapelle machte.
Wundervoll. Eine tolle Erinnerung an eine tolle Begegnung. Hoffentlich sieht man sich mal wieder. Das schönste Märchen ist das Leben selbst.
Mein ganz persönliches Lied. Ganz lieben Dank Achim. Das ist der Hammer.
Song of the Day.
Hallo liebe Anna du erlebst Sachen das ist ja echt der Hammer aber sowas entsteht wenn man offen ist und auf die Menschen zugeht nur so kommt man durchs Leben da kann sich manch einer ein Beispiel dran nehmen wirklich toll dein Erlebtes zu lesen und mitzuerleben weiterhin alles Gute auf deinem Weg dein Tantchen?
Anna, was hattest Du einen beeindruckenden (tollen) Tag. Das schöne Speyer, die Sonne, na so was “Rollrasen” , ein Kind, das ohne Hemmungen fragt, ein Lied für Dich gesungen! So etwas erlebt nur eine Pilgerin.
Ich freue mich mit Dir – auf zu neuen Erlebnissen.
Voller Begeisterung verfolge ist das beste Buch ever ???
Ein Buch das lebendiger nicht sein kann… ich danke dir für eine ganz besondere Art, den Blickwinkel zu verändern…. hdgdl Mom ?
Liebe Anna,
ich fand das sooo lustig, wie viele Arten Du hier verwendet hast, um “Kapelle” zu schreiben … ??
Als ich “meinen” Jakobsweg gelaufen bin, ging es mir zumindest mit anderen Pilgern ähnlich, dass man in einer halben Stunde Gespräch bei der ersten Begegnung mehr von einander wusste als von anderen Menschen, die man z.B. schon zwei Jahre kennt. Diese Offenheit hat mich nachhaltig beeindruckt.
Ich wünsche Dir weiterhin viele positiv-spannende Begegnungen. Und bei den Leuten, die Du schon alle nach Aachen eingeladen hast, wird sich dort die Besucherzahl im nächsten Jahr bestimmt verdoppeln … da kann Aachen dann wegen Überfüllung schließen. ?
Da ich erst heute Deinen 22. Tag lese, siehst Du, dass ich ganz schön hinterherhänge. Aber es macht echt Spaß, Dir zu folgen und gedanklich ein bisschen mitzuwandern.
Buen camino!