Tag 23: Über das Ziel hinaus geschossen

Als ich den letzten Bissen von meinem Marmeladenbrot aß, packte ich derweil die letzten Utensilien in den Rucksack. Noch eben schnell auf die Toilette und dann konnte er sofort los gehen. Gestern war es schon recht warm, aber heute sollten noch ein paar Grad hinzukommen. Da wollte ich so früh wie möglich los, um die kühlen Morgenstunden zu genießen, um nicht all zu viel am heutigrn Tag schwitzen zu müssen. Punkt sieben Uhr ging es los und es war herlich draußen. Heute ging es von Malsch nach Bad Rappenau und heute durfte ich wieder Couchsurfen, bei einem jungen Pfarrer namens Simon und seiner Familie. Die Freude war wieder eher groß. Bis ich aber dort ankommen sollte, lagen noch rund 30 Kilometer dazwischen.

Malsch lag gerade hinter mir, da kam ich an einen kleinen Teich bzw. See an. Inmitten des kleinen Teiches war eine Grünfläche auf der sich einige Entenfamilien tummelten. Waren die süß. Fröhlich quackten sie vor sich her und unterhielten die gesamte Umgebung. ?

Nach einem längeren Waldwanderweg machte ich kurz Rast in dem wunderschönen Schlosspark vom Angelbachtal auf einer Parkbank und schaute den Joggern beim Schwitzen zu. Plötzlich rumste es. Mein Rucksack hatte sich selbstständig gemacht und lag nun eine Etage tiefer. Na super, das Band, was die beiden Träger vorne zusammenhält, war bei dem Satz nach unten abgegangen und so leicht konnte ich sie nicht wieder anbringen. Rund 10 Minuten vergingen bis ich endlich die richtige Technik gefunden hatte und wieder alles herrichten konnte. Nochmal Glück gehabt. Genug Zeit vertrödelt, weiter ging es.

Die nächste größere Pause verbrachte ich in Sinsheim, mitten in der Innenstadt. Dort schmierte ich mir ein leckeres Marmeladenbrot, zwei Scheiben hatte ich noch übrig, und beobachtete die Leute. Ein besseres Programm kann es wirklich nicht geben. Spannend was man alles so miterlebt. Da findet das RTL-Mittagsprogramm direkt vor der Nase statt. ?

Während der Pause waren mir auch die vielen Holzfiguren aufgefallen, die in das Stadtbild integriert waren und wie richtige Leute aussahen. Eine wirklich tolle Idee, um die Stadt attraktiver und belebter darzustellen. Diesen Figuren begegnete ich auch an der riesigen Stadtbinliothek. Dort war eine ganze Menschenholzkaravane drapiert, von der ich unbedingt ein Bild schießen musste. Geniale Idee.

Die Temperaturen stiegen und es wurde immer heißer. Bevor ich aber Sinsheim verlassen sollte, kam ich am Sinsheimer Freibad vorbei. Familien mit riesen Lufttieren sprinteten zum Eingang, um sich schnellstmöglich bei der Hitze abzukühlen. Je nachdem wie der Wind wehte roch ich leckeres Chlorwasser. Wie gerne wäre ich mit Sack und Pack einfach mal kurz in das kühle Becken gesprungen. Aber nein, ich ging eisern in der prallen Sonne weiter und machte mir nebenbei etwas Sommermusik an. Ein paar Meter weiter blieb prompt neben mir auf der Straße ein weißer BMW x1 stehen in dem zwei jüngere Typen saßen. Sie schauten zu mir rüber und fragten freundlich, wo ich denn hin müsste. Bad Rappenau, sagte ich. “Das ist ja noch mega weit, sollen wir dich nicht ein Stück mitnehmen bei der Hitze und dem dicken Gepäck auf dem Rücken?” Das war echt lieb, aber ich winkte freundlich ab und dankte ihnen. Egal bei welchem Wetter, der Jakobsweg wird gelaufen. Es wird nicht gefuscht. Die Beiden fragten, ob ich mir wirklich sicher sei. Ich bejahte, dankte ihnen von Herzen und verabschiedete mich. “Ok” sagten sie, wünschten mir alles Gute, verabschiedeten sich ebenfalls und nahmen wieder Geschwindigkeit auf. Knuffig wie fürsorglich die Zwei waren. ?

Kurz vor dem nächsten Dorf kam mir Herbert entgegen. Herbert ist ebenfalls ein Pilgerer höheren Alters, der seinen diesjährigen Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber bis Speyer absolvierte. Wir kamen direkt ins Gespräch und freuten uns beide mal einen Kameraden zu treffen. Ich erzählte Herbert was ich vor hatte. Er war begeistert und erzählte mir, dass er vor rund vier Jahren auch über die Schweiz, Frankreich und Spanien gelaufen ist. Mega cool. In der halben Stunde, die wir uns verquatschten, gab Herbert mir einige Tipps mit auf den Weg. Zur Not könnte ich ihn auch anschreiben und Fragen, denn unsere WhatsApp-Nummern hatten wir bereits ausgetauscht. ? Herbert war so sympathisch und ich war glücklich ihn getroffen zu haben.

Langsam wurden die Füße schwer und meine Trinkration war bereits aufgebraucht. Ich hatte so einen Durst. Glücklicherweise lag das Schloss Neuhaus auf dem Weg. Dort stand auf dem Rasen ein Sprinkleranlage. Ich überlegte bereits, ob ich schnell dort hin laufen und mir meine Flasche kurz voll machen sollte, aber da kam schon der Hausmeister. Ich passte ihn geschwind ab und fragte ihn ob ich kurz an die Sprekleranlage dürfte. Er lachte kurz auf und sagte zu mir, dass ich auch kurz im Schloss meine Flasche auffüllen dürfte. Mega gut. Das Schloss war geschlossen bzw. nur für Hochzeiten, Geburtstage oder Ähnliches buchbar. Klasse, jetzt bekam ich auch noch einen exklusiven Einblick ins Schloss. Ein Träumchen. Die Anlage und das Schloss, das was ich zu Gesicht bekam, war einfach grandios.

In Grombach machte ich erneut eine etwas längere Pause an der evangelischen Kirche. Meine Füße waren nun zu schwer und ich wollte mal kurz die Augen zu machen. Ich setzte mich auf die Treppen und sammelte Kraft für die letzten rund 10 Kilometer. Ich schrieb Simon, dass ich gegen 18 Uhr ankommen würde. Kein Problem, schrieb er zurück, wir sind zu Hause.

Kurz vor dem nächsten Dorf Babstad kam ich nun langsam auf die Idee den genauen Ort zu lokalisieren, wo ich heute übernachten sollte. Ich tippte die Adresse in Google ein und war schockiert. Das konnte doch nicht wahr sein. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Simon hatte geschrieben, dass sie nicht in Bad Rappenau sondern in Grombach wohnen. In meiner Tabelle hatte ich dies noch verkehrt notiert. Da bin ich wohl über das Ziel hinaus geschossen, dachte ich und setzte mich erstmal hin. ? So etwas kann auch nur mir passieren. Nun gut, dann muss ich halt die 4,5 Kilometer wieder zurück laufen. Was für ein Spaß. ?

Wieder in Grombach angekommen, saßen Simon und seine Familie direkt vor dem Haus und waren fröhlich am klöhnen. Es war eine sehr offene, lockere und familiäre Atmosphäre, als ich zu der Runde hinzustieß. Das konnte nur ein toller Abend werden und das wurde es auch. Ich freute mich sehr, als Simon und seine Frau extra etwas zu essen kochten und wir gemeinsam zu Abend aßen.
Emma, ihre rund eineinhalb jährige Tochter, war ein kleiner Sonnenschein. Sie lachte die ganze Zeit und war einfach eine Frohnatur. Doch später am Abend hielt sie ihre Mutter etwas auf Trapp. Die kleine Emma hatte an dem Tag eine Impfung bekommen, welche sich etwas bemerkbar machte. Ich fühlte mir der Kleinen mit.

Nach dem Essen unterhielten Simon und ich uns noch eine Weile. Es war richtig schön. Wir sprachen u. a. über das Schloss Neuhaus. Simon fragte, ob mir denn auch das kleine bemalte Tischchen, etwas weiter vom Schloss am Wegesrand vom Wald, aufgefallen ist. Daran konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Als ich das bunte Tischchen und die farbenfrohe Windmühle daneben sah, war ich etwas irritiert und fragte mich, was das hier sollte, mitten im Wald. Simon gab mir nun die Antwort darauf. Eine Frau aus dem Dorf betreut das Tischchen und stellt gelegentlich Getränke und ein Gästebuch (in einer wasserdichten Tüte) auf den Tisch, frei Haus. Wer sich dann in den Wald setzt, darf die Getränke genießen und noch eine kleine Botschaft hinterlassen. Später räumt sie dann wieder alles Weg. So kam Simon mit einem Freund an Vatertag in den Genuss und durften ein leckeres Bier im Wald genießen. Eine wunderbare und tolle Idee. Ein kleiner Engel auf Erden diese Frau. ?

Passend zum Wetter ?

Eine Antwort auf „Tag 23: Über das Ziel hinaus geschossen“

  1. Du erlebst so viel und schreibst es packend und spannend auf. Ich habe das Gefühl, dass ich auch diesen Weg gehe und die Strapazen erlebe.
    Bei diesen Temperaturen ist es schon sehr eisern eine Mitfahrgelegenheit auszuschlagen.
    Was machen übrigens Deine Blasen an den Füßen? Ich hoffe, sie quälen Dich nicht mehr
    Bis zum nächsten Pilgerbericht einen guten Weg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.