Tag 24: Alte Freunde treffen

Simon und seine Familie lagen noch bequem im Bett, als ich unten in der Küche das vegane Porridge mit Äpfeln und Bananen zubereitete. Adrian hatte mir diese besondere Mischung, als ich in Speyer war, mitgegeben. Nun wollte ich sie auch endlich probieren. Für Simon und seine Frau machte ich ebenfalls fix zwei Portionen fertig. Als ich Simon gestern fragte, ob sie das Porridge auch probieren möchten, antwortete Simon “Och, joar, warum nicht”. Ich freute mich, dass ich wenigstens so ein wenig zurückgeben konnte. Schnell hinterließ ich noch eine kleine Nachricht und bedankte mich von Herzen bei den Beiden bzw. Dreien für die wunderbare Zeit. Ich hoffe, dass auch wir uns in Aachen wiedersehen. ?

Heute sollte es wieder so heiß werden, da war es keine schlechte Idee wieder um sieben Uhr mit der Wanderung zu beginnen. Und so ging es dann auch schon los, nachdem ich die Haustür leise hinter mir zuzog. Die ersten fünf Kilometer kamen mir recht bekannt vor, aber man sah nun alles auch in einem anderen Licht. Morgens, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumwipfel scheinen, etwas morgentau in der Luft liegt und die Sonnenstrahlen die Haut berühren, ist es immer ein magischer Moment. Die Ruhe und das leise Zwitschern der Vögel machen es vollkommen. Wie sehr ich jeden dieser Augenblicke mittlerweile genieße und gelernt habe, sie zu lieben. Jede einzelne Sekunde wird ausgekostet. Einfach vollkommene Entspannung und pure Lebenslust. ?

Als ich das romantische Bad Rappenau durchquerte, beschäftigte mich ein Gedanke. Egal mit wem ich mich unterhielt kam in der Regel die Frage, aus welchen Gründen man diesen Weg bestreitet. Oftmals wurde ich gefragt “Machst du das, um dich selber zu finden bzw. Ist das eine Selbstfindungphase?”. Das Wort “Selbstfindung” stört und zwickt mich irgendwie und ich fühle mich nicht wohl damit. Daher galt es dies nun zu erörtern. Selbstfinden, nun ja, es ist ja nicht so, dass ich seit knapp dreißig Jahren auf der Welt herumlaufe und mich suche. Ich stelle mir dann immer vor, wie ich suchend auf dem Jakobsweg unter jedem Stein nachsehe, suche und rufe “Anna, wo bist, komm doch endlich raus, jetzt wird es aber nach rund dreißig Jahren mal Zeit zu mir zu finden.” Ich weiß wer ich bin. Daher sehe ich diese Zeit eher als eine Art Besinnungsphase. Besinnen auf sich und die Vergangenheit, die oftmals viel zu schnell an einem vorbei zieht, aufgrund von Stress oder anderen Gründen des Alltags. In den Momenten zu leben, diese Revue passieren zu lassen und sich dadurch auch zu reflektieren. Aber auch vor allem, die kleinen, meist unscheinbaren Ergeignisse wieder schätzen und lieben zu lernen. Im Alltag geht dies doch leider oftmals verloren, da Vieles oftmals schnell gehen muss. Besinnung, damit fühle ich mich irgendwie wohler und finde es auch passender.

In meiner philosophischen Phase, vergaß ich vollkommen die Zeit und erreichte schon bald Bad Wimpfen. Alleine die historischen und gut erhaltenen Fachwerkhäuser ließen mich stauen und rissen mich aus meinen Gedanken. Sofort holte ich mein Handy aus der Seitentasche. Ich musste die grandiose Kulisse in verschiedenen Fotos einfach festhalten. Ein Träumchen. Bad Wimpfen kommt ebenfalls auf die Liste von Städten in Deutschland, die ich unbedingt noch einmal besuchen muss.

Bad Friedrichshall, das war mein Etappenziel, was ich erreichte. Heute kam ich in der Pension Bauer unter. Ein sehr nettes Ehepaar, von denen der Mann herzensgut war. Denn Herr Bauer überredete seine Frau, mir doch lieber das Zimmer mit Balkon und WC/Dusche im Zimmer zu geben, statt das “einfache” Zimmer ohne Balkon, WC und Dusche. Ich freute mich unheimlich über den Luxus und lief voller Vorfreude zu meinem Zimmer. Als ich vor der Zimmertüre stand konnte ich die Türe ohne Schlüssel einfach so öffnen. Ich war etwas überrascht und wurde unmittelbar danach wieder überrascht. Es befand sich nämlich einen zweite Tür hinter der ersten Tür. Ich konnte nicht mehr vor lachen und dachte für einen kurzen Moment, dass ich bei der versteckten Kamera wäre. In diese zweite Türe passte allerdings nun der Schlüssel und ich konnte in das Zimmer eintreten. Später erklärte mir Jochen, ein guter Freund, der das Bild bei Instagram sah, dass dies Schallschutztüren sind. Der Schallschutz wurde früher durch das einbauen zweier Türen realisiert. Echt interessant und ich war dankbar für das Auflösen des Rätsels. ?

Doch das Highlight des Tages war der Besuch von meiner langjährigen Freundin Anika. Ein paar Tage zuvor hatten wir geschrieben und das Treffen ausgemacht. Ich war überglücklich als ich Anika umarmte und ich sie nach so langer Zeit wiedersah. Das letzte Treffen war schon Monate her und sie hatte heute extra rund 110km (pro Fahrt) auf sich genommen, damit wir uns sehen konnten. Wir machten uns auf die Suche nach einem Imbiss, denn wir hatten beide einen riesen Hunger. Glücklicherweise fanden wir auf anhieb einen Imbiss. Dort setzten wir uns draußen hin, genossen die letzten Sonnenstrahlen, bestellten uns etwas zu essen und quatschen, quatschen und quatschen. Einfach wunderbar. Es gab so viel zu erzählen. Als es langsam dunkel wurde, gingen wir in mein Zimmer und quatschen dort weiter. Das hätte die ganze Nacht so weiter gehen können, doch wir mussten die Zeit im Auge behalten, denn Anika musste noch schnell tanken bevor die Dorftankstellen alle geschlossen hatten. So hieß es langsam Abschied nehmen. Ich winkte in die Dunkelheit, bis ich Anika nicht mehr sah. Es war eine geile Zeit. Vielen Dank dafür. ?

Ein ganz lieben Dank an alleine Freunde. ?

Eine Antwort auf „Tag 24: Alte Freunde treffen“

  1. So Anna, jetzt habe ich Deinen Beitrag über den Tag 3x gelesen und über die Motivation für das Gehen des Jakobsweges nachgedacht. Neben vielen Begegnungen mit liebenswerten und interessanten Menschen und eindrucksvollen Naturerlebnissen, ist dieser Weg auch eine körperliche Herausforderung. Vielleicht ist das an die physischen Grenzen Gehen die beste Voraussetzung sich auf das Wesentliche der eigenen Person zu besinnen, sich selber besser kennenzulernen.
    Ich glaube auch, dass es eine unvergessliche Lebenserfahrung sein wird, die Dich prägen wird und Dir zu späteren Zeiten im Alltag als Ressource dienen kann.
    Ich freue mich für Dich, dass Du Dir diese Zeit nimmst.
    Gehe froh auf Deinem Weg weiter!

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