Tag 34: Jeder Tag ist ein Geschenk

Der heutige morgen fing zunächst freundlich an, wechselte jedoch innerhalb einer halben Stunde zu einer grauen dunklen Wolkendecke. Überraschend war dies nicht, da der Wetterbericht am Vorabend dies so vorhergesagt hatte. Ich hoffte nur, dass ich nicht im Regen laufen müsse und die regnerischen Wolkenabschnitte galant an mir vorbei flogen.

Meine Vorräte neigten sich allmählich dem Ende. Da ich heute in dem Dorf Hohenberg ein weiteres Monteurszimmer gefunden hatte und drum herum nichts war, wo man sich hätte was zu essen kaufen können, musste ich meinen Bestand wieder auffüllen und warten bis der Drogeriemarkt Müller um neun Uhr öffnete. Davor nahm ich mir die Zeit ganz gemütlich in der Bäckerei, direkt neben Müller, frühstücken zu gehen. Ich bestellte mir einen großen Pott Kaffe und ein frisches Brötchen belegt mit Ei dazu. Ich sag nur Proteine ? Das war richtiger Luxus. Ich dankte meiner Mutter in Gedanken für das leckere Frühstück ließ jeden Bissen und Schmuck auf der Zunge zergehen.

Punkt neun Uhr war ich die erste im Müller-Laden. Schnell kaufte ich das Nötigste ein, damit es direkt weiter auf den Jakobsweg gehen und ich die dunklen Wolken hinter mir lassen konnte. Bevor es allerdings aus der Stadt raus ging kaufte ich mir noch schnell eine schwarze Capi, denn ich hatte mein kleines heiß geliebtes Fischerhütchen verloren, welches mich schon rund die Hälfte meines Lebens begleitet hatte. Es war schmerzlich, aber hin und wieder muss man sich hält von Altem trennen. ? Ruhe in Frieden. Einen entsprechenden Ersatz konnte die Capi nicht leisten, erfüllte aber dennoch ihren Zweck.

Das Wetter wurde zunehmend besser und die Sonne kam wieder raus. Es wurde so schön, dass es auch wieder notwendig wurde sich mit Sonnenmilch einzucremen. Zudem hatte der Weg ebenfalls wieder wundervolle Abschnitte zum staunen und verweilen. So fand ich eine kleine Bank am Wegesrand. Dort stand drauf “Mach mal Pause”. Das lasse ich mir doch nicht zwei Mal sagen. Ich setzte mich prompt auf die Sitzbank, aß einen Powerriegel und ließ das malerische Panorama auf mich wirken. Einfach einmalig.

Weiter ging es in den tiefen Wald. Um geben von Fichtenbäumen und deren Geruch. Plötzlich kam jedoch ein Regenschauer herunter. Es regnete sich ein, doch durch die Bäume war ich sehr gut geschützt und die restlichen Regentropfen wurden von meinen riesigen Regenponcho, welches auch als Zelt hätte durchgehen können, abgehalten. In Rosenberg angekommen hörte es endlich auf zu regnen. Ich trug den ollen Poncho nun knapp eine Stunde und darunter wurde es langsam etwas feucht, durch die eigenen Schweißdrüsen. Endlich wieder ein laues Lüftchen auf der nassen Haut spüren, tat das gut. Rosenberg war das letzte Dorf vor meinem Etappenziel Hohenberg. Dort fand ich zufälligerweise eine kleine Bäckerei. Einen Snack musste ich mir noch unbedingt genehmigen und bestellte mir ein trockenes Körnerbrötchen, welches ich vor dem Laden auf der Bank in aller Ruhe genoss.
Gegenüber stand ein riesiges Fachwerkhaus, dessen Tür gerade aufging. Eine kleine ältere Dame schlufte aus den Haus heraus. Sie hatte Schwierigkeiten mit dem Laufen, das sah man ihr deutlich an. Ihre Haustüre ließ sie sperangelweit offen stehen. Herzlich willkommen beim Tag der offenen Tür, dachte ich und musste ein wenig schmunzeln. Nach ein paar Minuten hatte die Dame langsam aber sicher die Straßenseite passiert und näherte sich der Bäckerei. Wir kamen kurz ins Gespräch und redeten über meine Reise. Danach verschwand sie in den Bäckerladen. Kurz darauf kam sie wieder mit einem Leib Brot heraus und setzte sich zu mir auf die Bank. Wir kamen erneut ins Gespräch und so erzählte sie mir von ihrem vor kurzem verstorbenen Sohn. Sie war den Tränen nahe, konnte sich aber schnell fassen. Ich fühlte mit ihr mit und ich hatte den Anschein, dass sie sehr froh war mal mit jemanden reden zu können. Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten weiter bis wir uns ganz herzlich voneinander verabschiedeten. Ich musste bis Hohenberg noch lange an die ältere Dame denke, und hoffte, dass auch bald wieder die Sonne für sie scheinen würde.

In Hohenberg erreichte ich mein heutiges Domizil, die Monteursunterkunft. Hoffentlich war es heute etwas sauberer, dachte ich. Von außen sah es recht passabel aus. Mir öffnete eine kleine, etwas stämmigere Dame mittleren Alters die Tür und begrüßte mich sehr sehr herzlich. An ihr vorbei kam ein kleine Jack Russel Hund heraus getapst und beschnupperte mich zunächst und ließ sich dann ganz genüsslich von mir streicheln. Idefix hieß die süße Fußhupe, ich war direkt hin und Weg von dem Kleinen. Wir gingen direkt zu meinem Zimmer. Ich strahlte über das ganze Gesicht, als mich eintrat. Das komplette Gegenteil zu gestern. Ich fühlte mich pudelwohl. Das Bad musste ich mir mit den anderen Monteuren teilen, aber das war überhaupt kein Problem. Meine heutige Vermieterin war so herzlich, dass sie mir sogar anbot, noch gemeinsam zu frühstücken, bevor ich wieder losziehe. Sie würde von ihrer Nachtschicht aus dann direkt ein paar “Wägle” für uns mitbrigen und einen heißen leckeren Kaffe vorbereiten. Ich war vollkommen aus dem Häuschen und freute mich riesig. “Sehr sehr gerne”, antwortete ich und fragte noch, wie teuer eigentlich die Unterkunft sei. Das hatte ich bei unserem letzten Telefonat ganz vergessen zu fragen. Sie sagte, dass ich nichts bezahlen müsste, da es keine optimale Lösung sei (da ich kein eigenes Bad etc. hätte) und würde es daher umsonst bekommen. Ich freute mich noch mehr und war sehr sehr dankbar. Ich konnte es kaum fassen. Das war ein wirklich freudiger Abschluss des Tages.

Jeder neue Tag ist wirklich wie ein Geschenk, mit vielen unerwarteten und tollen Ereignissen und Begegnungen. Das wird mir nun immer bewusster.

3 Antworten auf „Tag 34: Jeder Tag ist ein Geschenk“

  1. Jeder neue Tag ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.
    Deshalb lebe jeden Tag wie du es magst.
    Hoffe dein heiß geliebtes verlorenes Fischerhütchen hat einen neuen ebenso treuen Freund gefunden.
    Er hat es so gewollt sonst hätt er dich nicht verlassen.
    Aber auch für ihn wird es einen neuen Tag geben :).
    Denk an die schönen Zeiten mit ihm.

  2. “Die beste Zeit ist immer jetzt”
    Mit jedem Pilgertag scheint mir, bekommst Du von den unterschiedlichsten Menschen Zuwendung und Aufmerksamkeit geschenkt.
    Zudem die wunderschöne Natur durch die Du pilgerst – was kann fröhlicher machen?
    Weiterhin eine gute Zeit!

  3. Liebe Anna,
    da Du hier in der Nähe meiner Heimatstadt (Nördlingen) vorbei gewandert bist und ich vermute, dass viele Deiner Follower eher aus Nordwest-Deutschland sind, erlaube ich mir, folgendes zu korrigieren: Du bekommst im Schwabenland “Weckn” oder “Weckle” aber keine “Wägle”. – Soweit mein heutiger Beitrag zur Allgemeinbildung ??

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