Um genau halb acht hörte ich, wie meine Vermieterin von ihrer Nachtschicht nach Hause kam. Sie kam an meinem Zimmer vorbei und wünschte mir einen wunderschönen guten Morgen. Was für eine Ausstrahlung. Wenn ich die ganze Nacht durchgearbeitet hätte, würde ich sicherlich anders aussehen. Doch meine Vermieterin (deren Namen ich bedauerlicherweise nicht mehr weiß) erschien mir top fit, als wäre sie vor rund einer Stunde erst aufgestanden. Respekt. Sie sagte mir, “Ich bereite oben bei uns in der Wohnung schon mal das Frühstück vor und dann kannst du gerne nachkommen.” Ich freute mich riesig, packte schnell meine restlichen Sachen zusammen und begab mich in die erste Etage.
War das eine schöne Wohnung. Alles war offen gehalten und sehr gemütlich eingerichtet. Idefix, der kleine Familienhund, kam gemächlich auf mich zu gelaufen, und holte sich seine Streicheleinheiten ab. Der Jüngste war der Kleine leider nicht mehr. Rund 15 Jahre trug Idedix bereits auf dem Buckel. Während meine Vermieterin gerade noch den Kaffe für uns beide vorbereitete, setzte mich an den bereits reich gedeckten Tisch. Kurz danach kam sie und wir fingen an es uns gut gehen zu lassen und unterhielten uns sehr toll. Es fühlte sich an, als würde ich schon seit Tagen hier wohnen. Ein vertrautes und sehr wohliges Gefühl machte sich breit. Als ich mein erstes Wägler vertiglt hatte, sagte meine Vermieterin, dass ich unbedingt das Brezel mit Pfeffer probieren müsste. Das ist eine regionale Spezialität. Zuerst zierte ich mich etwas, da ich kein Fan von Pfeffer bin. Aber dann überwund ich mich und probierte die sonderliche Kreation. Verdammt, war das gut. Ich war im siebten Himmel und wollte mehr ?
Nach dem wundervollen Frühstück machte ich mich wieder auf. Nur ein paar Meter zu Fuß und ich hatte die Kirche auf dem Hohenberg erreicht. Meine Vermieterin hatte mir erzählt, dass die Fenster der Kirche und die Fassade der Pilgerunterkunft, welche leidet geschlossen hatte, ganz besonders seien. Schöpfer dieser einzigartigen und einmaligen Malereien war Sieger Köder. Ich war sprachlos als ich oben auf dem Berg ankam und die Malereien sah. Einfach atemberaubend. Als sich der Blick langsam von den Bildern löste, eröffnete sich ein Panorama auf die weite Ferne. Der Himmel war bedeckt und Hütte sich in grau. Einige Kilometer weiter ergossen sich riesige graue Wolken über zwei Berge. Gefesselt von der gesamten Atmosphäre und der Magie des Berges musste ich hier unbedingt für einige Minuten verweilen. Unbeschreiblich schön und faszinierend war dieser Ort. Für mich stand sofort fest, hier muss ich unbedingt wieder hin. ?
Später auf dem Jakobsweg sah ich ein Ortseingangsschild mit der Aufschrift “Himmelreich – 1 km”. Ach, schoss es mir durch den Kopf, nur einen Kilometer und ich bin im heiligen Reich Gottes. Na das nenne ich doch mal schnell ? Das musste der Himmer auf Erden sein.
Kurz vor meinem Etappenziel Hohenstadt gab es eine weitere Kapelle, welche ebenfalls von Sieger Köder gestaltet wurde. Diese wollte ich mir natürlich ansehen, und nahm den extra Weg gerne auf mich. Doch leider war die Kapelle verschlossen und so konnte ich die Malereien nur von außen bewundern. Jetzt wieder runter und dann wieder den Berg hoch steigen. Puuh, die Motivation war nicht ganz da. Doch ich erspähte einen alternativen Weg. Dieser war als Jakobsweg ausgeschildert. Das musste ein neuer Weg sein, denn dieser war mir nicht bekannt. Nun gut, ich ließ mich darauf ein und stieg den Berg weiter hoch. Irgendwann hörte der Weg jedoch auf. Na super, dachte ich. Wieder zurück gehen wollte ich nicht, daher schaute, ob es nicht doch noch einen Weg irgendwo gab. Google zeigte mit an, dass hinter einem sehr sehr steilen Anstieg durch den Wald eine Weg sein müsste. Ich überlegte kurz und entschied mich auf das Abendteuer einzulassen. Das war richtiges Klettern. Klatsch nass geschwitzt und außer Puste hatte ich es geschafft und stand plötzlich im Garten einer Villa. Ohje ? schnell versuchte ich mich von dem Grundstück herunter zunavigieren. Das Tor war zum Glück offen, sodass ich ganz gemütlich hinaus spazieren konnte. Nun war ich wieder auf dem rechten Weg.
Bald erreichte ich eine alte Herren-Wandertuppe. Mit schnellem Schritte zog ich an den Herrschaften vorbei. Wir machten einen paar Witze im Vorbeigehen und in wenigen Minuten hatte ich sie alle überholt. Das fühlte sich richtig gut an. So langsam war ich ja doch nicht mit meinem riesigen Gespäck unterwegs. Ein kleines Erfolgserlebnis ?
Hohenstadt, ich hatte das Ziel erreicht. Doch ganz am Ziel war ich noch nicht angekommen. Meine heutige Unterkunft liegt nämlich in Oberdischingen, welches noch weitere 5 km entfernt lag. Nach dem Kletterabenteuer, sah ich mich jedoch nicht mehr in der Lage den Weg zu Fuß zu laufen. Auf der Bahn-App sah ich, dass in weniger als 5 Minuten der Bus in Richtung Oberdischingen fährt. Verpasse ich diesen Bus, muss ich eine Stunde warten. Schnell spurtete ich aus der wunderschönen Barockenkirche zur Bushaltestelle. Perfektes Timing, nur zwei Minuten später traf auch schon mein Bus ein.
Angekommen in der Lamm-Brauerei genoss ich und ein paar weitere Gäste die letzten Sonnestrahlen des Tages bei einem kühlen Getränk im Biergarten. Ich schloss die Augen, genoss die Wärme auf der Haut und lauschte den Gesprächen am Nebentisch. Später erhielt ich eine Einladung mich zu der Familie und dem älteren Ehenpaar, die sich gerade kennengelernt hatten, dazu zu setzten. Doch ich war soo müde, dass ich leider absagen musste und mich in mein kuscheliges warmes Bett verkrümelte.
Oh Anna, für die farbenfrohen Bilder von Sieger Köder hätte ich auch einen zusätzlichen Weg in Kauf genommen. ((Eine zeitlang hingen Drucke von ihm auf dem Gang zur Schule). Dein Weg ist voller Überraschungen!
Schön, dass Du so viele, unterschiedliche Menschen auf Deinen Wegen triffst und Du Dich auf der langen Pilgerreise “geborgen” fühlen kannst.
Ich wünsche Dir Gottes Segen für Deinen Weg.