Tag 41: Meine Jakobsmuschel

Am nächsten Morgen war ich ein wenig gerädert, denn am Abend hatte ich irgendwie Schwierigkeiten beim einschlafen. Und das hatte nichts mit Julias Schnarchen zu tun 😉 Dennoch kam ich gut aus dem Bett, sodass wir gegen Viertel vor acht unten im Gemeinschaftsraum unser Frühstück zu uns nehmen konnten. Brigitte war fit wie ein Turnschuh und wuselte bereits in der Küche herum. Obwohl noch andere Pilgerer hier übernachteten sahen wir keine Menschenseele. Komisch, dachten wir uns und aßen ganz alleine in dem großen Saal.

Das Frühstück war super und als wir fertig waren konnte es langsam weitergehen. Ich hatte bereits alles gepackt und zog mir unten schon mal in Ruhe im Flur meine Schuhe an, während Julia noch ein wenig Zeit benötigte. Als ich fertig war schlenderte ich etwas umher. Dabei fielen mir die Jakobsmuscheln auf, die zum Verkauf angeboten wurden. Ich wollte mir eigentlich keine kaufen, aber die Gelegenheit reizte mich schon. Wann würde ich wohl wieder die Gelegenheit bekommen solch eine Muschel zu holen? Wohl nicht nicht mehr bald. Wahrscheinlich erst wieder in Frankreich oder Spanien. Es war mein Bauchgefühl was mir sagte, dass ich eine Muschel mitnehmen sollte. Nun gut,dann hol ich mir jetzt eine. Zwei Euro, das ging doch noch. Mit der Muschel ging ich zu Brigitte und wollte zusammen mit der Muschel auch meine Übernachtung begleichen. Auf einmal sagte Brigitte “Ach komm ich schenk dir die Muschel. Du bist noch so lange unterwegs, die soll dich auf deiner Reise beschützen.” Mein Gott war ich happy. Ich dankte Brigitte von ganzem Herzen. Am liebsten hätte ich sie fest gedrückt, so glücklich war ich über dieses Geschenk. Doch wegen Corona mussten wir natürlich den Abstand weiterhin wahren. Direkt suchte ich ein passendes Plätzchen für die Muschel, welches sich umgehend fand. Nun hatte ich das Gefühl irgendwie vollständig zu sein. Zu Pilli und mir kam nun noch Shelli hinzu. Ein wunderbares Trio ?

Bis zu unserem heutigen Etappenziel lagen rund 25 Kilometer vor uns. Draußen vor unserer Unterkunft schossen wir noch ein paar letzte Bilder, dann ging es los. Direkt zu Beginn verliefen wir uns ein kleines Stück und kamen an einer Bundesstraße aus. Zurück laufen? Nee, dazu hatten wir keine Lust. Also wagten wir das Risiko an der Bundesstraße auf dem schmalen Stück Rasen zu laufen. Manche Brummifahrer waren echt blöd und sind verdammt knapp an uns vorbei gefahren. Zum Glück hatten wir schon bald den Feldweg erreicht, sodass wir dem Abenteurer doch wieder schnell entfliehen konnten. Der Feldweg war jedoch noch nass vom Morgentau, sodass Julia direkt nasse Füße bekam ?Dank meiner teuren Wanderschuhe erfreute ich mich trockener Füße ? An der nächsten Kreuzung hieß es dann nun erstmal für Julia Schuhe wechseln. Als Julia ihre Schuhe gewechselt und alles wieder in Ihrem Rucksack verstaut hatte, freute ich mich darüber, dass ich währenddessen eine  Übernachtung im Kloster organisieren konnte. Ich hatte gefallen an den Klosterbesuchen gefunden und wollte, bevor es zur Schweiz ging, unbedingt noch einmal in einem Kloster übernachten. In ein paar Tagen würde es zu den Franziskanerinnen von Reute gehen. Die Freude darauf war bereits sehr groß, u. A. da Schwester Tobia am Telefon sehr freundlich und hilfsbereit war.

Zu zweit wandern, das hat was. Es ist abwechslungsreich und auch sehr schön. Auf solch einer Wanderschaft lernt man sich  zudem näher kennen. Man hat Zeit zum  quatschen aber man findet auch die Zeit für sich. Wir hatten ein super Gleichgewicht.

Nachdem wir bereits ein gutes Stück unsere Strecke überwunden hatten, waren wir von der heutigen Route etwas enttäuscht. Denn es ging fast nur von Dorf zu Dorf, stets an den Hauptstraßen vorbei. Keine Waldwege und nur wenige Grünflächen. Da war leider nicht viel mit Idylle. Wirklich schade.

Kurz vor Äpfingen erreichten wir das letzte Dorf namens Schemmerberg. Als Julia den Stempel in Ihr Pilgerheft drückte, sah ich wie üppig und schön dieser war. Na komm, dachte ich, obwohl es nicht das Etappenziel ist, muss der Stempel unbedingt in mein Heft. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen nur von den jeweiligen Etappenzielen ein Stempel in mein Heft zu setzten. Sonst wäre es jetzt schon drei Mal voll gewesen, wenn ich in  jeder Stadt gestempelt hätte. Ich kramte in meinen Rucksack, doch mein Pass lag nicht an seinen Platz. Verdammt, ich konnte meinen Pilgerpass  nirgends finden. Kurz blieb mir das Herz stehen. Ich konnte es nur in der Herberge vergessen haben. Umgehend rief ich Brigitte an und fragte sie, ob sie etwas gefunden hatte. Bisher leider nicht, sagte sie, doch sie gingen auf unser Zimmer und schaute nach, ob er dort noch lag. Auf den ersten Blick konnte sie nichts finden. Aber als sie unter den Bett schaute, in dem ich geschlafen hatte, fand sie ihn. Ein Glück. Der Ausweis war darunter gerutscht. Ach mist, kam es aus mir raus. Im nächsten Moment war ich jedoch froh, dass er wieder aufgetaucht war. Brigitte versprach mir meinen Ausweis nach Aachen zu schicken, sodass André ihn mit nach Konstanz mitbringen kann. Vor Beginn unserer heutigen Wandertour hatte Brigitte mir zum Glück noch einen zusätzlichen Pass geschenckt, da mein verlorengegangenes Heft schon fast voll ist. Mal wieder Glück gehabt. So konnte ich nun in dem neuen Pilgerheft (bzw.so eine Art Verlängerung des richtigen Ausweises) den wunderschönen Stempel von Schemmerberg einstempeln.

Die letzten fünf Kilometer zogen sich wie Kaugummi. Man sah es Julia an, dass es langsam etwas beschwerlich wurde und die Reserven erschöpft waren. Kurz vor dem Ziel machten wir daher noch geschwind eine klitze kleine Pause. Nachdem wir die Tüte Haribo geleert hatten, ging es mit fokussiertem Blick nach Anne und Josef. Anne ist eine langjährige Pilgerin, die seit Jahren Pilgerer bei sich zu Hause aufnimmt. Für ihren Mann Josef ist das Pilgern nichts. Josef hatte Anne mal bei einer Etappe mit dem Fahrrad begleitet. Das war es aber auch schon. Irgendwie erinnerte mich das ein wenig an André und mich ?
Als wir eintrafen begrüßte Anne uns herzlich und nahm uns direkt mit auf die Terasse. Dort gab es leckeren selbstgemachten Apfelkuchen und ganz viel Kaffe, ich war im Himmel. Der Kuchen und Kaffe standen noch von dem Besuch einer Nachbarin auf den Tisch und es war noch einiges davon übrig. Ich genoss jeden einzelnen Bissen der fast drei Stückchen Kuchen sowie jeden Schluck der zwei großen Kaffepötte, natürlich mit ganz viel Zucker. Zudem war ich vollkommen fasziniert von dem wundervollen Garten. So stellte ich mir einen Garten vor. Diesen kann man nicht beschreiben, den muss man einfach erlebt haben. Ein Träumchen.

Nach der leckeren kleinen Stärkung und den tollen Gesprächen mit Anne und Josef machten wir uns frisch und fanden auf unserem Zimmer ein Jakobsquiz, womit Julia mich direkt auf die Probe stellte. Anders als gedacht, war ich gar nicht mal so schlecht. Wir vergaßen vollkommen die Zeit bei dem Quiz, sodass es bald schon wieder Zeit wurde für das Abendessen.

Später am Abend hatte Anne extra für uns eine kleine Mahlzeit gekocht. Eine Art Spätzlesuppe mit Zwiebeln. Dieses Gericht hat eine besondere Bezeichnung, die ich leider schon wieder vergessen habe. Aber was ich weiß ist, dass es verdammt lecker war. Julia und ich freuten uns sehr, etwas warmes zu essen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Umso größer war die Freude. Wir unterhielten uns noch sehr lange. Anne erzählte uns, dass sie gerade dabei sei, ihre Biographie zu verfassen und schon an einer kleinen Probelesing vom Dorf mitgemacht hatte. Wir schauten uns gemeinsam die Bilder ihrer Lesung an. Ganz interessiert an Annes Biografie,gab sie uns kurzerhand uns ihre bisher geschrieben Seiten als Abendlektüre. Jetzt mussten wir schnell ins Bett, um die ersten Seiten zu lesen ? Wir verabschiedeten uns und wünschten den Beiden eine wundervolle Nacht.

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