Verdammt, war das heute morgen frisch. Nun merkte man, dass der Herbst langsam aber sicher eingekehrt. Nach dem Frühstück, so gegen acht Uhr, machte ich mich langsam auf den Weg in Richtung Rapperswil-Jona. Heute war es eine etwas längere Strecke von rund 25 Kilometern. Um diese Strecke zu bewältigen brauchte es natürlich wieder genügend Proteine und Kohlenhydrate. Da passt natürlich nichts besser als ein frisch gekochtes Frühstücksei und ein leckeres Brot mit herzhaftem Käse aus der Schweiz. Besser kann der Tag nicht beginnen. Neben dem Ei lag ein extra Eierköpfer. Den hatte ich bisher noch nie gesehen. Direkt probierte ich das Ding aus und hatte sofort gefallen daran gefunden. Wenn ich wieder zu Hause bin muss ich mir auch unbedingt so ein Ding anschaffen ?
Weniger als 10° waren es heute Morgen. Der Anfang war frostig, aber mit jedem Schritt wurde es zunehmend wärmer. Als die Sonne dann noch hinter den Bergen hervor kam, begann der Sommer wieder langsam einzukehren. Am Mittag war es dann schon wieder so war, dass ich nur noch im T-Shirt und kurzer Hose laufen konnte. Das Alppanorama wurde nun noch intensiver und ich musste wirklich aufpassen, wo ich hin Laufe. Die Faszination der Berge hat mich so gepackt, dass ich manchmal den Blick für den Weg vollkommen verlor.
Allmählich hatte ich wieder Lust ein Hörbücher anzuschalten. Diesmal entschied ich mich für “Die Drei” (Minimale Abwandlung von den drei ???). Aus einem Hörbuch wurden zwei und aus dem zwei wurden auch noch ein drittes. Irgendwie brachten mich die Hörbücher richtig in den Flow und ich genoss es richtig auf dem Weg ein paar Geschichten zu hören. Als ich den ersten Minuten des dritten Hörbuchs lauschte, sah ich mitten auf dem Feld an einem Pfahl eine schwarze Nike Jacke hängen. Die sah nett aus und roch auch noch gut. Ich hatte zwar was langärmliges dabei, aber eine solche Jacke hatte ich vergessen ein zupacken. Ich schaute auf das Etikett und freute mich innerlich, denn das war genau meine Größe. Du kommst nun mit mir mit, sagte ich zu der schwarzen Jacke, und wollte sie später einmal anprobieren. Was man alles auf dem Weg findet. Da braucht man gar nicht einkaufen zu gehen. Die Klamotten findet man auch auf dem Weg. ?
Rund einen Kilometer weiter kam ich an einer super witzigen selbstgewerkelten Wetterstation vorbei. Die musste ich mir unbedingt näher ansehen. Daneben hatte ein älteres Ehepaar eine kleine Stube für vorbei laufende Pilgerer eingerichtet. Die Getränke und das Essen waren für schweizer Verhältnisse verdammt günstig. So blieb ich vor dem Schild stehen und konnte es kaum glauben, das ein 0,4 Liter Glas frische Milch vom Bauern nur 30 Rappen kosten sollte. Da ich unbedingt die Milch direkt vom Bauern mal probieren wollte, war das nun die beste Gelegenheit. Ich kam mit dem älteren Herrn direkt ins Gespräch und bestellte ein Glas Milch. Als ich das Geld gerade heraus suchte, sagte er, dass er mir die Milch schenkt und ich nichts dafür bezahlen muss. So sehr hatte ich mich noch nie über ein Glas Milch gefreut. Ich war richtig happy. Wir setzten uns eine Weile zusammen an den Tisch, unterhielten uns und währenddessen genoss ich die super leckere Milch. Rund eine halbe Stunde war vergangen als ich auf die Uhr sah. Eine wirklich tolle Zeit, die ich mit den beiden verbracht hatte. Manchmal muss man halt eine Schildkröte sein, denn sonst verpasst man solch tolle Momente. Von Herzen dankbar für dieses tolle Ereignis versprach ich den Beiden eine Karte aus Santiago zu schicken und verabschiedete mich. Die beiden werde ich nie vergessen.
Nicht mehr weit und ich erreichte Rapperswil-Jona. Ich hatte noch eine Stunde bis zum Check-in in die berühmt berüchtigte Pilgerherberge. Solange machte ich etwas Sightseeing. Auf der Suche nach einer öffentlichen Toilette kam ich mit einem Mann mittleren Alters in Gespräch. Gegen Ende unseres Gesprächs fragte ich ihn, ob er wüsste wo ich eine Toilette finden könnte. “Also hier wirst du bestimmt keine kostenfreie Toilette finden. Aber dort vorne gibt es ein Restaurant in dem du bestimmt Fragen kannst. Evtl. musst du einen Kaffe oder so bestellen. Das Geld dafür kann ich dir geben. Warte kurz ich hole eben fünf Franken aus meiner Tasche.”, sagte er. Was?, dachte ich. Einfach mal so fünf Franken? Das konnte ich nicht annehmen und lehnte freundlich ab. Total verblüfft über so viel Güte und Hilfsbereitschaft, dankte ich ihm. Kurz darauf musste er auch schon los zu seinem Termin und so entschied ich mich zunächst die Kirche und das Schloss anzusehen. In dem Schloss erblickte ich eine Toilette. Super, für die Frauentoilette musste man bezahlen, wohingegen die Männertoilette frei zugänglich war. Ich war hin und hergerissen, ob ich gehen sollte oder nicht. Da jedoch nichts los war, verschwand ich kurz auf die Herrentoilette. In Windeseile war ich fertig und konnte nun ganz entspannt meine Sightseeing-Tour fortsetzen. Der Rosengarten als auch der Zürichersee waren meine Lieblingsplätze.
Die Herberge war nun offen und ich war die erste die einkehrte. Hannelore war unsere heutige Pilgermutter. Hannelore ist Mitte siebzig, voll im Leben, Herzens gut und schafft ehrenamtlich in der Herberge, immer für eine Woche. Wohnen tut sie im schönen Appenzeller-Land. Da ich die erste in der Herberge war, durfte ich mir ein Bett aussuchen und durfte mir die noch übrig geblieben Nudeln und Tomatensauce, der vorherigen Pilgerer, zubereiten. Zwar hatte ich bei TooGoodTooGo eine Magic-Tüte bestellt, aber bis ich die abholen konnte war es noch soo lange und ich war jetzt schon hungrig.
Es war so viele Nudeln übrig, dass Jara, eine weitere Pilgerin in meinem Alter, auch mit Essen konnte. Wir lernten uns näher kennen und bald darauf kamen zwei weitere Pilgerer (Linus und Ulrich), die Jara auf ihrem Weg bereits getroffen hatte. Von Beginn an verstanden wir uns alle super.
Nach bereits tollen Gesprächen war es nun endlich Zeit meine TooGoodTooGo-Überraschung abzuholen. Ich begab mich zur Bäckerei, die nur wenige Meter entfernt lag. Ich trat vor die Theke und sagte, dass ich von TooGoodTooGo komme. Das übrig gebliebene Essen stand bereits fertig gepackt auf dem Tresen. Das sollte alles für mich sein? Die Mitarbeiterin nickte mir freundlich zu und sagte, dass es alles für mich sei. Wow, davon hätte ich locker zwei Tage überleben können. Voll gepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner macht ging es zurück in die Herberge. Hannelore konnte es auch kaum fassen, was ich alles bekommen hatte. In der Überraschungstüte waren drin
- eine große Portion Spaghetti Bolognese
- zwei große Joghurtbecher
- eine Portion Gemüse
- zwei Salate
- eine Brottüte, mit gemischten Brötchen und einem Vollkornbrot.
Einfach der Hammer. René und Mildrid waren die zwei letzten Pilgerer die ankamen. Da Jara und ich uns bereits von den Nudeln satt essen konnten und die anderen Beiden Pizza essen waren, bot ich ihnen meine Portion Bolognese uns Salat an. Nach so einer langen Wanderung kam das genau richtig. ? Wir hatten somit alle Freude daran.
Nachdem ich schnell ein Joghurt verputzt hatte, machte ich mich nochmal auf den Weg zum See der nur fünf Minuten entfernt lag. Hannelore gab uns den Tipp sich den Sonnenuntergang von dort aus anzusehen. Kurz vor dem Sonnenuntergang suchte ich mir daher ein schönes Plätzchen, wo ich zudem meine Füße ins Wasser halten konnte. Einfach wundervoll. Es war einfach der Hammer und es passte alles. Später kam Hannelore hinzu und wir schauten gemeinsam, wie sich die letzten Sonnenstrahlen für heute verabschiedeten.
Danach ging es zurück in die Herberge. Alle waren wieder zurück. Es entstanden sehr interessante Gespräche. Neben den Gesprächen alberten wir auch ein wenig rum und schossen ein paar schöne Bilder. Ich hatte das Gefühl eine zweite kleine Familie zu haben. Es war so schön harmonisch und wir verstanden uns einfach super. Schade, dass Morgen wieder jeden seines Weges geht.
Solltet ihr euch fagen, was TooGoodTooGo ist, ist nachfolgend der Link zur Internetseite zu finden. ?
Dein heutiger Bericht hört sich an, als wäre die “ganze Welt ” ein Paradies. Und vielleicht ist sie es ja auch, wenn man mit offenen Augen und offenem Herzen alles wahrnimmt.
Vielleicht ist das die (eine) Erfahrung, die man als Pilger geschenkt bekommt.
Soll Dein Weg so weitergehen.