Um Punkt sieben Uhr gab es Frühstück für René und mich. Wir waren die einzigen Pilgerer in der Klosterherberge und hatten somit den gesamten Frühstückssaal für uns. Unser Tisch war mit lieb gedeckt. Die Franziskanerschwester, die uns gestern aufgenommen hatte, begrüßte uns ganz freundlich und brachte sogleich frisch gebrühten Kaffe und einen Kanne warme Milch. Es gab alles was das Herz begehrte. Neben verschiedenen herzhaften Käsesorten, für die mein Herz höher schlug, probierte ich nun einmal den Ovomaltine Kakao. Das ist das schweizer Tradisoonsgetränk schlechthin. Ich nahm direkt eine große Tasse Milch und füllte das Ovomaltinepulver hinein. Ich rührte es kräftig um und nahm direkt einen Schluck, gar nicht mal so übel. René und ich hatten wieder einiges zu erzählen, sodass wir beinahe die Zeit aus den Augen verloren. Um Viertel vor acht musste ich mich sputen, um mein Schiff nach Treib zu bekommen. Zum Glück hatte ich schon alles zusammen gepackt. Um zwanzig nach acht sollte nämlich meine Fähre von Brunnen nach Treib ablegen. Bis dahin hatte ich noch ca. 30 Minuten wobei 20 Minuten nur alleine Laufen waren, und ich musste mir noch ein Ticket organisieren. Obwohl es etwas knapp war, ließ ich mich nicht stressen. Entweder es klappt, oder halt nicht. Dann würde ich einfach die nächste Fähre in zwei Stunden nehmen und mich so lange in der Kombüse hinsetzen ?
Doch ich schaffte es. Man könnte sagen, perfektes Timing. Renés Schiff sollte rund 20 Minuten später ablegen. Da René aber noch seine Tasche packen musste, hatten wir uns bereits im Kloster von einander verabschiedet. Als ich draußen auf einer der Bänke des Schiffs saß, hörte ich plötzlich wie beim ablegen jemand meinen Namen rief. Es war René, der gerade noch das Ufer erreichte und winkte. Ich freute mich riesig und winkte zurück. Ich hörte erst wieder auf zu winken, als wir uns nicht mehr sahen. Was für eine tolle Überraschung. Nun war ich wieder alleine und irgendwie fühlte es sich komisch an, so, ganz alleine wieder. Nun musste ich mich erst wieder einmal daran gewöhnen.
Als ich nach 10 Minuten Fahrzeit mit dem Schiff in Treib ankam, ging es direkt wieder steil Berg auf. Nachdem wir gestern den Hagenegg gemeinsam geschafft haben, war das nun ein Klacks. Der Weg führte direkt am Hang entlang, mit einer entsprechend tollen Aussicht auf den Vierwaldstättersee. Ein tolles Panorama. Bei der nächsten Gelegenheit setzte ich mich daher mal kurz auf die Bank und genoss die Aussicht. Einfach fabelhaft.
Der Abstieg nach Beckenried, zu meinem heutigen Etappenziel, war um einiges steiler als gestern. Das ging nicht nur in die Beine, sondern auch richtig in die Knie. Als ich unten ankam und die ersten Schritte wieder normal ging, fühlten sich meine Beine wie Pudding an. Uhh, das war neu für mich. Nachdem ich die ersten Meter etwas langsamer lief, ging es allmählich wieder, sodass die letzten Kilometer problemlos verliefen.
Die Temperaturen kletterten heute wieder auf rund 29°. Ein herrliches Wetter um den Tag wieder am See zu verbringen. Ich war mal wieder deutlich zu früh als ich in Beckenried angekam. Ich erblickte einen tollen Platz um zu baden. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob man hier einfach so frei Baden durfte, daher fragte ich eine Frau, deren Garten direkt am Ufer lag. Sie sagte mir, dass es kein Problem sei und der See für jeden frei zugänglich ist. Ich freute mich tierisch und guckte mir ein entsprechendes Plätzchen aus. Ich deponierte meine Sachen auf dem Rasen und lief sofort auf den Steg. Von dort aus konnte man bis zum Grund schauen, so klar und rein war das Wasser. Sogar die Fische konnte man sehr gut erkennen. Mit etwas Anlauf ging es mit einem Satz ins Wasser. Uhh, es war ein wenig kalt aber super erfrischend. Herrlich. Ein weiterer Badetag und ich war überglücklich. Wie eine kleines Kalb, das voller Freude auf der Wiese umher läuft und herum hoppelt. What a beautiful life. ?
Nach der Erfrischung ging es direkt auf die Wiese in die Sonne, um wieder etwas aufzuwärmen. Kurz bevor es dann zu Roger, meinem Couchsurfing Host für diese Nacht ging, hatte ich noch plötzlich Heißhunger auf Schokolade. Ich machte einen kurzen Abstecher ins Dorf und holte mir im Supermarkt Volg eine Tafel Kinderschokolade. Damit setzte ich mich abermals ans Ufer und aß sie in einem auf. Naja, irgendwie hatte ich die Schokolade viel besser in Erinnerung. Die gibt es in Zukunft nicht mehr ?
Jetzt war es nun Zeit, wie vereinbart, zu Roger zu gehen. Als Roger die Tür öffnete, hatte ich ihn ganz anders von den Fotos auf Couchsurfing in Erinnerung. Eher wie ein kleiner Nerd (natürlich positiv gemeint). Aber vor mir stand kein Nerd sondern genau das Gegenteil. Roger hatte sich etwas verändert. ? Als ich mitten in der Wohnung stand bekam ich einen Schlag, als ich vom Wohnzimmer aus raus schaute. Einfach der Hammer. Rogers Wohn- und Essbereich inkl. Küche hatte eine komplette Glasfront von der man aus direkt auf den Vierwaldstättersee blickte. Ein Traum und kaum zu fassen wie schön es war. Ich konnte mich kaum los reißen von der Aussicht.
Für den Abend hatte Roger eine leckere Pizza vorbereiter. Dazu gab es einen leckeren Wein und abschließend noch ein Käffchen. Ein rund um gelungener und schöner Abend. Roger ist wirklich sympathisch und sehr gastfreundschaftlich, dennoch hatte ich den Eindruck, dass er etwas verklemmt wirkte. Vielleicht ein Klischee der Schweizer, denn Roger erzählte selber, dass die Schweizer immer etwas Zeit bräuchten, um sich jemanden gegenüber zu öffnen. Dennoch war es sehr schön und gesellig. Mit dem besten Blick von der Couch auf den See schlief ich nach dem letzten Schluck Wein direkt ein.