Tag 62: Mir wurde ein Engel geschickt

Anders als erwartet hatte ich die Nacht gut geschlafen. Doch irgendwie fühlte ich mich träge und müde. Punkt sechs Uhr stand ich auf, putzte mir die Zähne über der Spühle und packte meine Sachen zusammen. Als ich gerade fertig war, klopfte Barbara an die Tür und trat ein. Wir wünschten uns einen guten Morgen und tranken eine warme Milch zusammen. Dabei unterhielten wir uns sehr nett und lernten und noch ein wenig näher kennen. Bald darauf wurde es Zeit auf Wiedersehen zu sagen und ich verabschiedete mich bei Barbara. Rückblickend eine wirklich spannende und interessante Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Es war kurz nach sieben als ich die Strasse in Richtung Interlaken City entlang lief. Es dämmerte und die Sonne kämpfte sich hinter den Bergen hevor. Der Herbst rückt zunehmend näher. Die Tage werden gefühlt wieder kürzer. Zwar ist der Sommer ideal zum Wandern, doch den Wechsel der Jahreszeiten live mitzuerleben hat was ganz besonderes und seinen ganz eigenen Charme. Beim Wandern nimmt man den Wechsel m. E. bewusster wahr als im Altag. Ich bin schon sehr gespannt auf die nun neu anbrechende Jahreszeit. Ein weiteres Level, welches allmählich erreicht wird. 🙂

Heute geht es nach Thun. Das liegt zwar ein paar Kilometer vom Jakobsweg entfernt, doch ich bekam den Tipp von Luise mir die Stadt unbedingt einmal anzusehen, da sie so schön sei. Gesagt getan. Ich schaute noch am selben Abend bei Luise nach einen Chocusurfing Host. Es dauerte nicht lange und ich hatte die Bestätigung von Manuel erhalten. Jackpot, Manuel lebt in einer WG direkt im Zentrum von Thun. Einfach genial und ich freute mich schon sehr.

Gegen halb zwölf kam ich in Merling an. Von dort aus sollte man mit dem Schiff nach Spiez rübersetzen. Das Schiff hatte gerade eben erst vor rund zehn Minuten abgelegt. Ach verdammt. Die nächste Möglichkeit ergab sich erst wieder in zwei Stunden. Grund genung um erstmal eine Pause einzulegen. Das träge Gefühl von heute Morgen hielt sich leider den ganzen Tag über und mir fehlte irgendwie der Schwung. Jeder Schritt war gefühlt eine Belastung. Auch nach einer halben Stunde schlaf auf der Parkbank, sah die Welt leider nicht viel besser aus. Mein Körper wollte einfach nicht. Eine weitere Stunde auf das Schiff warten wollte ich nicht. Irgendwie musste es ja weitergehen. So entschied ich mich rechts vom See weiterzulaufen. Irgendwann stiess ich auf eine Absperrung und ein riesiger Umweg wurde angezeigt. Das ging garnicht und das würde ich heute nicht schaffen. So ging ich ein kleines Stück zurück und nahm den nächsten Bus bis nach Thun. Das konnte ich heute gut mit meinem Gewissen vereinbaren. Eine Fahrt kostete 7 Franken. Boar, das war schon echt teuer, und ich hatte nur 5 Franken in Münzen bei mir. Geldscheine nahm der Automat nicht. Na super. Das Dilemma bekamen zwei junge Frauen mit und halfen mir mit dem restlichen Betrag aus. Ich war verdammt glücklich über diese liebe Unterstützung und bedankte mich vielmals.

In Thun angekommen holte ich mir zunächst einen kleinen Snack im Supermarkt, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich suchte mir wieder eine Parkbank, ass dort meinen Snack und schlief erneut eine Stunde. Mit nun etwas mehr Kraft rafte ich mich auf und wollte mir die Stadt etwas ansehen. Als ich mich gerade auf den Weg machen wollte, kam ich mit einer älteren Dame ins Gesrpäch. Sie empfahl mir unbedingt das Schloss zu besichtigen. Das es ihr zu aufwändig war den Weg bis dorthin zu erklären, begleitete Sie mich bis zum Schloss. Ich freute mich riesig und war ihr sehr dankbar dafür. Wir liefen rund 10 Minuten gemeinsam zum Schloss. Es ist immer wieder faszinierend, was man in so kurzer Zeit über die Leute erfährt. Einfach wundervoll.

Vom Schloss und der direkt daran angrenzenden Kirche, in der ich noch eine Kerze für meine Familie und Freunde anzündete, ging es nun direkt in die Innenstadt. Dort traf ich auf eine weitere ältere Frau. Wir unterhielten uns ein paar Minuten auf der Strasse über den Jakobsweg. Sie erzählte, dass ein paar Freundinnen von Ihr auch schon den Weg gelaufen seien. Selber ist sie den Weg noch nie gelaufen, doch sie findet es total faszinierend, was man ihr auch sofort anmerkte. Als sich unsere Wege trennten, drückte sie mir 20 Franken in die Hand, für etwas zu Essen. Das könnte ich bestimmt sehr gut gebrauchen, sagte sie. Ich war total perplex und wusste garnicht was ich sagen sollte. Ich bedankte mich tausend mal bei ihr und fragte sie, ob wir nicht davon zusammen einen Cafe trinken sollen. Sie winkte ab und sagte, ich solle mir lieber was leckeres davon holen. Ich war überglücklich. Diese Frau hatte mir der Himmel geschickt. Sie ging ein Stück weiter und ich schaute mir die Stadt etwas genauer an. Doch wie der Zufall es so wollte trafen wir erneut aufeinander. Esther fragte mich, ob wir uns nicht doch kurz in ein Restaurant setzten sollten, um uns näher kennezulernen. Ich freute mich sehr und willigte natürlich direkt ein. Als wir im Restaurant ankamen bestand Sie darauf mir ein Mittagessen und Dessert zu spendieren. Das konnte ich nicht annehmen. Doch das half nichts, sie bestand darauf. Wir verbrachten eine tolle Zeit zusammen. Genau wie mein Mann hat auch Esther eine Vorliebe für Bücher und erzählte mit Leidenschaft davon. Es war unheimlich spannend ihr zuzuhören. Esther erzählte mir zudem, wie sie ihren Mann kennegelernt und welche tollen beruflichen Ereignisse sie erlebt hatte. Einfach spannend. Allein darüber könnte man ein tolles Buch schreiben. Am Ende war ich sehr traurig, dass die Zeit so schnell vorbei ging. Wir tauschten unsere Adressen aus und ich versprach ihr mich bei Ihr zu melden und vom Weg zu berichten.

Nun war es Zeit Manuel und seine Mitbewohner kennenzulernen. Darauf war ich schon sehr gespannt. Rund fünf Minuten zu Fuss und ich stand bereits vor der Haustüre. Manuel empfing mich sehr freundlich und es fühlte sich an einen guten alten Freund wiederzusehen. Wir verstanden uns auf anhieb sehr gut und verquatschten uns direkt. Die Wohnung der Drei war einfach der Hammer. Eine rieisges Appartment über drei Etagen. Am liebsten wäre ich direkt mit eingezogen. Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, bekamen wir allmählich Hunger und ich zauberte uns aus den Resten, die ich im Kühlschrank fand, frische Bürger mit Salat. Manuel, Max und Laura waren begeistert von meinem Essen und sie sagten, dass ich jederzeit gerne wiederkommen und für sie kochen könnte 😀 Auf meiner Rückreise würde sich bestimmt etwas einrichten lassen. Später am Abend nahm ich in der einen Ecke und Manuel in der anderen Ecke der riesigen Couch platz. Manuel zeigte mir u.a. ein (Musik)Video über die riesige Kinoleinwand. Das Video zeigte die Schweiz in seiner vollen Schönheit. Mit der begleitenden Musik, die über die riesige Anlage ertönte, war es ein unglaublich toller Gänsehautmoment. Einfach der Hammer. Danach wurde es aber auch schon langsam Zeit ins Bett zu gehen und wir wünschten uns allmählich eine gute Nacht. Ein wirklich toller und ereignisreicher Tag, wobei er zunächst sehr beschwerlich angefangen hatte.

Sechs Minuten (direkt von Beginn an) die zeigen, wie unfassbar schön die Schweiz ist. Noch untermalt von richtig guter Musik und der Gänsehautmoment ist einfach perfekt.

Eine Antwort auf „Tag 62: Mir wurde ein Engel geschickt“

  1. Ein toller, erlebnisreicher Tag !
    Mir scheint, dass der Jakobsweg die perfekte Gelegenheit ist mit Menschen aller Altersstufen in Kontakt zu kommen und dabei auch noch die Schönheiten der Natur zu erfahren.
    Es ist wie ein Geschenk.

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