Tag 77: Cloude Rider

Viele Häuser in Frankreich werden primär noch mit einem Ofen beheizt. Auch Annelieses Haus wird lediglich durch einen Ofen in der Küche beheizt. Da ich oben in dem ehemaligen Zimmer von ihrer Tochter schlief, zog die Hitze nach oben und es war schön muckelig warm. Ich liebe diese Wärme und wollte zunächst gar nicht aus dem Bett kriechen. Unten in der Küche war es allerdings genau so schön warm wie oben bei mir im Zimmer. Anneliese war bereits seit fünf Uhr wach. Sie steht immer sehr früh auf. Heute morgen genoss sie den sternenklaren Himmel. In einigen Dörfern hier ist es üblich, dass von 23 bis 5 Uhr die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet wird. Es ist dann so dunkel, dass man die Milchstraße erkennen kann. Bisher habe ich es immer verschlafen, aber in den nächsten Tagen werde ich es bestimmt mal schaffen so früh wach zu sein ?

Unten in der Küche wartete Anneliese bereits auf mich. Annelise hatte schon ein petit dejeuner vorbereitet. Heute war es wesentlich üppiger als gestern, aber petit bleibt jedoch petit. ? An das deutsche bzw. schweizer Frühstück kommt das französische Frühstück nicht heran. Während wir unsere Baguetteschnitten mit Marmelade aßen zeigte mit Annelise währenddessen einige Bilder von ihrem Tripp durch Amerika. Sie hatte ihre Tochter, Schwiegersohn und ihre Enkelkindern für rund zwei Woche im Caravan begleitet und kam nach dem Tod ihres Mannes, der an Krebs viel zu früh verstorben war, auf andere Gedanken. Man merkte richtig wie Anneliese unter dem Verlust ihres Mannes litt. Sie tat mir sehr leid und ich musste schwer Schlucken. Am liebsten hätte ich ihr die Trauer gerne genommen. Warum muss den herzensguten Personen immer nur solch ein Leid wiederfahren. ?

Wir wechselten das Thema und so erzählte Anneliese mir von ihrem neuen Hobby. Seit rund einem Jahr begleitete sie eine Freundin und ihren Mann beim Pferdewagenrennen. Das war ihre neue Leidenschaft, in der sie voll aufging. Sie fragte mich spontan, ob ich Lust hätte mir die Wagen und die Pferde einmal live anzusehen. “Meine Freundin wohnt nicht allzu weit weg, da könnten wir mit dem Auto kurz hinfahren”, sagte Annelise. ” Na klar, warum nicht. Ich bin dabei”, antworte ich voller Begeisterung. Und so machten wir uns auch schon auf den Weg und schwingten uns ins Auto. Als wir ankamen, war ihre Freundin leider noch nicht wach, sodass die Besichtigung etwas kürzer ausfiel. Aber auch die kurze Führung war sehr schön und ereignisreich. Wir gingen zur Koppel und begrüßten die sechs Pferde, die direkt zu uns kamen als sie uns erblickten. Die vierbeinigen Riesen waren echt schnuckelig. Ein Pferd für den Jakobsweg das meinen Rucksack trägt, wär schon ganz nett. Neben den Pferden konnte ich mir auch die Wagen und einen Pfau mit seinen Babies live anschauen. Das war schon echt interessant. Neben der Koppel erspähten wir dann auch noch einen Wallnussbaum. Annelise hatte glücklicherweise noch eine leere Hundekot-Tüte dabei, die wir randvoll mit vielen leckeren Wallnüssen füllten. Klasse, so hatte ich noch einen zusätzlichen und leckeren Proviant. ?

Nach einer acht minütigen zügigen Autofahrt, kamen wir wieder zu Hause bei Annelise an. Ich holte meinen schweren Sack aus dem Zimmer und kurz darauf begaben wir uns auch schon auf den Weg. Der Jakobsweg lag etwas entfernt von Annelises Heim, doch nicht zu weit, nur drei Kilometer. Damit ich auch gut zum Jakobsweg hin kam begleitete Annelise mich dorthin und zeigte mir die Schleichwege. Derweil nutzte ich die letzten gemeinsamen Minuten und erfragte noch ein paar französisch Vokabel. ? Es dauerte nicht lange und da war die Französischstunde auch schon wieder vorbei. Am heutigen Startpunkt angelangt, dankte ich Anneliese für die wirklich tolle und lehrreiche Zeit. Ohne die Einladung nach Aachen machte ich mich natürlich nicht auf den Weg. “Du musst uns unbedingt besuchen kommen und dann zeig ich dir ganz Aachen”, sagte ich ihr und hoffe sehr, dass wir uns irgendwann Wiedersehen. Eine solch ehrliche, herzliche und liebenswerte Person findet man nicht überall. Wer weiß, vielleicht fangen ich zu Hause auch mal wieder an zustricken. Lust darauf habe ich nun wieder ?

Auf dem Camino angekommen regte ich mich auch schon direkt kurz auf. Können die Franzosen eigentlich keine entsprechenden Wanderwege einrichten, murmelte ich vor mir her. Hin und wieder stöhnte ich voller Frust auf, wenn ich mir mal wieder den nächsten Spitzen Stein in die Schuhsohle haute oder über die riesigen Steine hinwegrutschte. Das machte echt kein Spaß und nervte mich ungemein. Da ich primär auf den Weg achten musste, um mir nicht alle Knochen zu brechen, bekam ich so gut wie kaum was von der schönen Gegend mit. Und wenn ich dann doch mal einen Blick zur Seite wagte, stolperte ich auch schon über den nächsten Brocken. Ein weiterer Punkt, welchen ich mir ganz anders hier in Frankreich vorgestellt hatte. ?

Erst mal eine Pause auf den Frust. Dafür musste der Käse hinhalten, von dem ich noch einen Rest übrig hatte. Als sich meine Laune wieder etwas gelegt hatte und ich auch noch in Ruhe eine Toilette aufsuchen konnte, schlenderte ich über die kleinen Dörfer, deren Häuser alle sehr marode und renovierungsbedürftig aussahen und kam schlussendlich an meiner Herberge an. Ich war mal wieder recht zeitig vor Ort. Da ich mit meiner Herbergsmutter keine bestimmte Uhrzeit ausgemacht hatte, rief ich sie an. Ohje, war das holprig. Mit Mühe und Not hatte ich verstanden, dass sie in 10 Minuten an der Herberge sein wird und mich rein lässt. Perfekt, ich freute mich riesig. Klappt doch irgendwie mit der Sprache ?

Als ich auf mein Zimmer kam, musste ich zuerst ein kleines Mittagsschäfchen machen. Genügend Zeit hatte ich ja und irgendwie war ich total kaputt und fertig. Wovon wusste ich nicht, aber es tat gut und war nötig. Nach eineinhalb Stunden Schlaf, machte ich mich total entspannt und noch etwas döselig auf den Weg zum Supermarkt, der rund eine halbe Stunde bergab entfernt lag. Während ich geschlafen hatte, hatte sich auch das Wetter geändert. Die Wolken hatten sich verzogen und die Sonne kam nun wieder heraus. Ohh wie schön. Da kamen noch mal richtige Sommergefühle auf.

Ein Teil meiner Einkäufe aß ich gleich vor Ort, an einen schönen Plätzchen etwas weiter Weg vom Supermarkt. Dabei genoss ich die herrliche Aussicht auf die Stadt und die letzten Sonnenstrahlen des Tages bevor sie hinter den Bergen verschwand. Mit vollem Bauch ging es dreißig Minuten nur Berg auf. Auf halber Strecke legte ich mich einfach mal spontan mit meinen Einkäufen auf die Wiese, schaute mir den Himmel an und hörte ein wenig Musik dazu. Einfach Phänomenal, war das ein geiler und schöner Moment. Auch wenn es eigentlich nichts besonderes ist, war es in dem Moment was ganz besonderes und ich war überglücklich. Einfach da liegen, die Umgebung genießen und die Gedanken mit den Wolken mitziehen lassen. Besser ging es einfach nicht. Als ich so da lag fragte ich mich, wie lange es wohl schon her war, dass ich die Wolken einfach mal beobachtet hatte. Das musste vor Jahren gewesen sein, aber es war so schön. Warum mache ich das eigentlich nicht öfters? ?

Der Tag neigte sich nun langsam dem Ende und ich machte mich allmählich wieder auf den Weg. Die letzten Kilometer hoch bis zur Unterkunft und dann hieß es auch schön wieder schlafen ?

Einfach mal auf den Wolken reiten ?

Eine Antwort auf „Tag 77: Cloude Rider“

  1. Anna, Frankreich ist oft wunderschön! Die Wanderwege, wie ich sie kennengelernt habe, sind oft …..naja…?. Aber bleibe zwischendurch einfach stehen, schau auch mal zurück. Es lohnt sich!

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