Marie-Claude kümmerte sich wirklich herzlich um mich. Sie war wie eine zweite Großmutter. Wir frühstückten zusammen und unterhielten uns, soweit wie es möglich war. Denn Dylan schlief noch tief und fest und konnte nicht als Übersetzer fungieren. Sein Unterricht begann erst gegen ein Uhr und so konnte er die Zeit bis dahin mit einem ausgiebigen Schlaf noch ausnutzen. Verständlich. Marie-Claude erzählte mir voller Freude von ihren Kindern und Enkelkindern. Da es bis Weihnachten nicht mehr lange hin ist, erzählte sie mir wie sie Weihnachten feiern würden. All ihre Kinder, rund drei mit Partner und plus sechs Enkelkinder, kommen an Heiligabend zu ihr und dann gibt es ein Festmahl. Dylan wird dieses Jahr ebenfalls mit ihrer Familie mitfeiern. Ich stellte es mir sehr schön und gemütlich vor. Wenn weiterhin alles gut verläuft, würde ich dieses Jahr Weihnachten in Santiago feiern. Der Plan sieht es aktuell so vor, dass ich genau an Heiligabend ankommen werde. Das ist mein großes Ziel und innigster Wunsch. Denn dort wird André auf mich warten und empfangen. Darauf freue ich mich schon riesig. Mit jedem weiteren Tag wächst die Freude André endlich wieder in meine Arme schließen zu können. Und all meine alten Freunde und neuen Freunde und Familie wiederzusehen. Ich kann es kaum erwarten. ?
Für heute kündigte der Wetterbericht ab 16 Uhr Regen an. Den wollte ich so gut es ging vermeiden und machte mich mit Sack und Pack daher relativ früh, gegen acht Uhr, auf den Weg. Es war recht frisch und windig. Die volle Briese bekam ich jedoch mit voller Wucht zu spüren, als ich den höchsten Punkt erreicht hatte. Von dort aus ging es weiter in ein kleines Dorf namens “Côte Saint André”. Dort besuchte ich direkt die Touristen Information und fragte nach dem gelben Jakobsbuch, welches ich von der Jakobscommunity auf Facebook empfohlen bekommen hatte. In diesem Büchlein stehen alle aktuellen Herbergsmöglichkeiten und viele weiter nützliche Informationen zum Weg. Die Dame hinter dem Tresen wusste glücklicherweise direkt was ich meinte und holte das Buch hervor. 12 € für das Buch. Mhh, ich haderte und hatte eigentlich nicht vor so viel Geld auszulegen. Doch wenn es die Suche nach Herbergen vereinfachen würde? Nach einer Minute Bedenkzeit entschied ich mich dann doch dazu, das Buch zu kaufen. Ich wollte meinem Glück etwas auf die Sprünge helfen und mich nicht nur auf AirBnB verlassen müssen. ?
Als ich das kleine Dorf wieder verließ, welches im Tal lag, ging es wieder ein gutes Stück bergauf. Als ich wieder oben auf dem Hügel ankam, merkte ich, wie kalt es doch in der Zwischenzeit geworden war. Der Wind war verdammt frisch und war richtig stark. Meine Weste, das dünne Sweatshirt meine Leggings hielten mich zwar warm, als ich dann doch einmal kurz stehen blieb um eine Pause einzulegen, wurde es allerdings schnell kalt. Immer in Bewegung bleiben ist die Devise. Doch ich kam nicht drum herum an einem wunderschönen Aussichtspunkt eine Pause einzulegen. Ich setzte mich auf das kleine Rondell auf welchem die einzelnen Berge, die sich in der Ferne vor mir präsentierten, mit Namen beschrieben waren. Dazu Musik an und alles wae perfekt. Irgendwann schweifte mein Blick auf meinen Rucksack. Vor meiner Reise konnte ich selber kaum glauben, dass man zum Leben gar nicht viel braucht. Ein Rucksack mit Klamotten, einem kleinen Eigenheim, Isomatte, Schlafsack, Medizin etwas Proviant, noch ein wenig Werkzeug (u.a. mein Allround-Handy, Gabel, Messer, Lampe etc. ) und das war alles. Man braucht nicht viel um glücklich zu sein. Das wurde mir just in dem Moment klar. Nur meine sieben Sachen und eine Welt mit wundervollen, lieben inspirierenden Leuten.
Daher ist der erste Punkt auf meiner Todo-Liste auszumisten, wenn ich wieder zu Hause ankomme. Mich von dem ganzen überschüssigen Kram zulösen, den ich überhaupt nicht brauche. Nach der Reise ist vor der Reise. ?
Allmählich wurde es dann doch etwas frisch und ich verließ den Ort der Erkenntnis. Nur noch ein paar Kilometer und ich kam in meiner heutigen Pilgerherberge an. Als ich ankam sah ich, dass die Herberge erst gegen 16 Uhr aufmacht. Nur eine halbe Stunde zu warten. Doch für Pilgerer stand eine Nummer direkt unter der Öffnungszeit. Ich rief direkt einmal an. Der Inhaber ging ans Telefon und informierte mich, dass die Seitentüre offen sei und für mich das Zimmer mit der Nummer vier reserviert sei. Ja mega, dachte ich, und war richtig happy. Zwar wäre eine halbe Stunde warten das geringste Problem gewesen, aber die Kälte hätte dies etwas ungemütlicher gestaltet. Zudem fing es genau dann an zu regnen, als ich gerade in mein Zimmer betrat. Also doppeltes Glück gehabt.
Ich war hin und weg von meinem Zimmer. Ich hatte ein riesiges Bett mit einer flauschigen Decke, einen tolle Blick auf die Berge und sogar ein eigenes Badezimmer mit Badewanne. Genau das richtige nach einem langen und kühlen Tag. Direkt ließ ich ich mir ein heißes Bad ein drehte die Heizung auf und machte es mir gemütlich. Die Muskeln konnten bei der Wärme nun so richtig entspannen und das merkte ich in jeder Phaser des Körpers. Reinste Entspannung machte sich breit und beinahe hätte ich mein Dîner verpasst. Ganz alleine saß ich in der Taverne. Keine anderen Pilgerer waren zu sehen. Mit Covid dachte ich mir schon, dass weniger los sein würde, aber ich war komplett alleine, auf dem Weg und in den Herbergen. Keine Menschenseele auf den Jakobsweg? Das fand ich verwunderlich und die Einsamkeit machte sich doch langsam breit. Das hilt mich aber nicht davon ab die Leckereien des Abend zu genießen und danach glücklich ins kuschelige warme Bett zu hüpfen. Draußen regnete es immer noch. Das prasseln der Regentropfen wog mich langsam in den Schlaf.
Zuviel Besitz ist hinderlich! Vor allem dann , wenn die Konzentration auf die
wesentlichen Dingen des Lebens gerichtet ist.
Dein Weg führt ja -nach den Fotos zu urteilen- stundenlag durch die Natur, in der Du alleine Deinen Gedanken nachgehen kannst.
Ich wünsche Dir eine gute Zeit mit vielen Erkenntnissen.