Gestern Abend fragte mich der Inhaber, ob es in Ordnung sei, wenn ich bereits gegen 7:15 Uhr frühstücken könnte. Er hätte einen Termin gegen acht Uhr, der sich leider nicht verschieben lässt. Danach könnte ich aber natürlich noch so lange auf dem Zimmer bleiben wie ich nur möchte. Mir kam das gut aus, da ich sowieso früh los wollte. Heute lagen wieder rund 30 Kilometer vor mir und das Wetter sollte prächtig werden. Naja so prächtig war es am Morgen noch nicht. Es war noch kalt und des Öfteren sah es so aus als würde es regnen. Doch der Regen blieb aus. Zum Glück, das war schon mal die halbe Miete. ?
Zunächst ging der Jakobsweg hinab, an riesige Felder vorbei, dann wieder ein Stück hoch und wieder ein Stück herunter. Es wurde kaum langweilig. Vereinzelt kam die Sonne sogar raus und ich schaltete meine gute Launemusik dazu an. Dabei hörte ich “Ofenbach – Head Shoulders Knees & Toes” wozu ich eine Pilger-Choreografie kreierte. Dabei bekam ich so viel Spaß, dass ich nicht nur laut lachen musste ( was bestimmt die Leute dachten die das sehen ) sondern auch einen enormen Energieschub zum laufen bekam. Es war einfach herrlich und ich war verdammt glücklich. Beim Pilgern kommt man halt auf die verrücktesten Ideen. ?
Genau wie gestern ging es abermals hoch auf einen kleinen Hügel. Auch der Wind meinte es wieder gut mit mir und verpasste mir durchweg eine frische Brise. Doch das hielt mich nicht davon ab meinen kleinen gesammelten Proviant an Wallnüssen am höchsten Punkt zu verzehren. Dort war ein kleiner Picknick Platz eingerichtet. Einfach perfekt. Ich setzte mich direkt dorthin und genoss wieder die tolle Aussicht auf das Tal und die in der Ferne liegenden Berge. Es sah alles so winzig klein aus, als würde ich auf ein kleines Spieleland hinabschauen. Ich schaute mir alles ganz genau an, denn wer weiß, ob ich nochmal hierher kommen würde. Es gibt so viele tolle und einzigartige Orte auf dieser Welt. Das durfte ich auf meiner Reise nur zu genüge erleben. Jedoch hat man gefühlt zu wenig Zeit, um alle besichtigen zu können.
Kurz bevor es zur einem besonderen Ort ging, sah ich ein riesiges Schild mit der Aufschrift “Santiago de Compostela – 1660 km”. Wow, ich konnte es kaum fassen. Etwas mehr als die Hälfte hatte ich nun schon geschafft. Ich dachte an die vielen Momente zurück, die ich bereits erleben durfte. Aber das ist noch nicht das Ende. Ich bin gespannt welche weiteren Geschichten der Weg noch für mich bereit hält. So let’s go. Es ging weiter und ich erreichte den besonderen Ort Namens “Saint Lazarus-Quelle”. Dies ist ein Naturort, welcher von einem Verein und der Gemeinde gepflegt wird, insbesondere für Pilgerer. Dieser Ort bietet nicht nur eine Wasserquelle mit einem kleinen Wasserfall, sondern auch kleine in die Natur integrierte Sitzgelegenheiten und einen Obstgarten, an dem man sich frei bedienen kann. Doch leider konnte ich keinen Obstgarten finden, um eine kleine Pause mit etwas Gesundem einzulegen. Daher ging es zunächst erstmal weiter, durch diesen tollen Ort und weiter zum nächsten Dorf. Die Wolken hatten sich nun fast alle verzogen und die Sonne kam wieder heraus. Grund genug, um nun endlich eine Pause einzulegen. Direkt an der Straße im Grünen machte ich es mir gemütlich und betete die Sonne an. Ohh war das schön. Etwas Wärme konnte ich gut gebrauchen, nach den kühlen Windenphasen?
Irgendwann auf dem Weg fragte ich mich plötzlich, ob die Franzosen einfach nur zu faul sind die Außenfassade der neu gebauten Häuser zu montieren, zu verputzen oder was auch immer. Jedes neu gebaute Haus, welches ich sah, war halb fertig und jedes Mal fehlte die Außenfassade. Es war aber auch nie zu sehen, dass diese noch gemacht werden sollte. Sondern die Häuser schienen zunächst fertig zu sein. Komisch die Franzosen. Fangen etwas an und bringen es nicht zu Ende. Vielleicht war es auch einfach nur besonders für diese Region. ?
Dann nach rund 30 Kilometern kam ich an meiner nächsten AirBnB Unterkunft an. Aurélie und Stephan schienen jedoch leider noch nicht zu Hause zu sein, obwohl sie mir geschrieben hatten, dass ich ab halb sechs kommen könnte. Es war Viertel nach sechs. Naja war ja nicht schlimm, so suchte ich mir ein kleines nettes Eckchen in der Nähe, wo ich mich so lange aufhalten konnte. Rund 15 Minuten später bekam ich dann die Nachricht, dass ich nun gerne kommen kann. Stephan empfing mich sehr sehr freundlich und zeigte mir alles. Ich hatte ein schönes gemütliches Zimmer, mit allem was man sich vorstellen konnte. In der Beschreibung stand zudem, dass ein kleines Frühstück im Preis inbegriffen ist. Das war natürlich klasse und ich freute mich riesig darüber. Als ich auf den Tisch im Zimmer blickte, sah ich Kinder Country, abgepackte Minikuchen, Trinkpäckchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, eine Flasche Wasser und eine Tassimo-Maschine, inkls. diverser Kaffepads. Ich dachte zunächst, dass dies ein kleiner üppiger Begrüßung-Snack sei, doch das sollte das Frühstück für Morgen sein. ?? Ach herrje, eine reinste Zuckerbombe. Aber warum nicht. ?♀️
Für einen sehr geringen Betrag hatte ich die Möglichkeit mit Aurélie und Stephan zu Abend zu essen. Sie hatten Spezialitäten aus der Region gekocht. Wir begannen das Abendessen mit einer Kürbiscremsupppe. Danach gab es eine besondere regionale Wurst mit Lasagne dazu, gefolgt von einer exquisiten Käseplatte und abgerundet durch selbst gebackenes Bananenbrot mit Joghurt dazu. War das lecker ? Während ich mich durch allem durchschlemmte, unterhielten wir uns prächtig. Man merkte allerdings, dass es den beiden peinlich war, dass ihre Englischkenntnisse so minimal waren. Doch was sollte ich denn sagen, ist konnte kaum französisch und ich bereiste ihr Heimatland und das für fast zwei Monate. Da wäre es doch eigentlich gut Französisch sprechen zu können. ? Dennoch hatten wir einen tollen Abend. Wir unterhielten uns über alles Mögliche; über meine Reise, über die Unterschiede unserer Heimatländer, über ihre Berufe, und und und. Es war ein wundervoller Abend und auch hier hatte ich das Gefühl bei alten Freunden am Tisch zu sitzen. Das war genau das Richtige nach Phasen der Einsamkeit. Wir vergaßen komplett die Zeit und merkten erst gegen elf Uhr wie später es schon war. Da Stephan morgen wieder früh raus muss, wünschten wir uns kurze Zeit später eine gute Nacht. Was für ein weiteres tolles AirBnB-Erlebnis.
Bestes Lied für eine Pilger-Choreografie ?
Hallo Anna,
Herzlichen Glückwunsch zur Halbzeit.
Ich verfolge dein Erlebnis schon seid der ersten Minute.
Es ist so toll “dabei zu sein”.
Viel Erfolg und Spaß an der nächsten Hälfte deines Abenteuers.
LG Jochen
Auch von mir einen herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Erfolg Deinen Pilgerweg bis zur Hälfte bewältigt zu haben.
Passend zu diesem Ereignis das “abendliche Schlemmermenü” und die gute Unterhaltung mit dem französischen Ehepaar. Das nenne ich interkulturelle Verständigung.
Weiterhin so positive Erfahrungen.