Im Gegensatz zu gestern gab es heute ein wunderbar leckeres und ausgewogenes Frühstück. Der komplette Kontrast zu gestern, denn es gab nur Bio-Produkte. Primär aus dem eigenen Garten. Was der Garten nicht hergeben konnte wurde beim Bauern von nebenan organisiert. Ein mehr als guter Start in den Tag. ?
In der Nacht schaffte ich es sogar, dank meiner Blase, gegen fünf Uhr aufzustehen. Ich nutzte die Gelegenheit um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Draußen war es komplett dunkel, denn auch dieses Dorf schaltet von elf Uhr abends bis halb sechs Uhr morgens die Straßenbeleuchtung aus. Unglaublich,wie dunkel es doch ist,wenn die Beleuchtung ausgeschaltet ist. Doch leider konnte ich die Milchstraße nicht erkennen, da der gesamte Himmel mit Wolken bedeckt war. Ach schade, dann halt ein anderes Mal, dachte ich mir. So ging es kurz auf die Toilette und anschließend wieder ins Bett.
Heute lagen rund 25 Kilometer vor mir. Eine normale Strecke. Da ich mit meiner Herbergsmuttet das Frühstück für halb acht vereinbart hatte, ging es anschließend wieder auf die Straße, so gegen halb neun. Als ich mich von meiner Herbergsmutter verabschiedete, gab sie mir noch den Tipp an dem katholischen Park vorbei zugehen, bevor ich das Dorf verlasse. Das Tat ich natürlich. Der Park lag nicht allzu weit entfernt und so erreichte ich diesen in nur wenigen Minuten. Eine kleine Kapelle war in den “Berg” in regiert und bot eine fabelhafte Kulisse. Das hatte schon etwas recht mystisches. Entlang der Umzäunung waren riesige Statuten von Heiligen platziert, die in Richtung Kapelle schauten. Mit der aufgehenden Sonne war dies einfach ein einmaliger Anblick. Fabelhaft.
Nach rund zehn Kilometern, so gegen elf Uhr, erreichte ich Bourg-Argental. Ein nettes kleines Dorf mit vielen kleinen Läden. Als ich eine Bioladen entdeckte nutzte ich die Gelegenheit und kaufte mir direkt eine Sojamilch. Eigentlich bin ich davon kein besonders großer Fan. Doch heute morgen gab es zum Kaffe warme Sojamilch. Die war einfach nur göttlich. Die war so gut, dass ich mir morgen früh nochmal eine warme Sojamilch gönnen wollte. Perfekt, das Frühstück war bereits gesichert.
Von Bourg-Argental waren es noch rund 15 Kilometer bis Les Sétoux. Dafür würde ich ca. drei Stunden benötigen. In der Regel ist es jedoch möglich erst gegen 16 Uhr in den Herbergen einzuchecken. Bis dahin war noch genügend Zeit und so entschied ich mich vor der Kirche auf den drei Stufen eine Pause einzulegen, einen kleinen Snack zu mir zu nehmen und auf die Suche nach weiteren Unterkünften zu gehen. Da ich immer noch den Eindruck hatte als Deutsche benachteiligt zu werden, fragte ich meinen Couchsurfing-Freund Laurent, ob er ggf. in einer Herberge, dort wo ich eine Absage erhalten hatte, anrufen und nach einem freien Zimmer fragen könnte. Das wollte ich doch nun wissen, ob mein Bauchgefühl mich nicht täuschte. Als Franzose wird Laurent bestimmt bessere Karten haben, so bin ich davon ausgegangen. Laurent half mir direkt und versuchte die Unterkunft zu erreichen, doch leider vergebens. Er versuchte es mehrmals, aber leider ging keiner an den Apparat. Schade aber auch, so konnte ich das Mysterium leider nicht aufdecken. Aber ein Versuch war es Wert. ?
Während ich meine Unterkünfte für die nächsten fünf Tage organisierte, kam ich mit einem Müllmann ins Gespräch, der vor der Kirche sauber machte.
Wir unterhielten uns kurz über den Jakobsweg und danach ging er seiner Arbeit wieder nach. Es dauerte jedoch nicht lange, da kam er nochmal zurück und fragte, ob ich nicht Lust hätte mit ihm zu Mittag zu essen, so wie ich es verstanden hatte. Er würde zwei Döner organisieren, die wir hier essen könnten. Klar warum nicht, dachte ich und sagte zu. Allerdings musste ich eine Dreiviertelstunde warten, denn dann hatte er erst Mittagspause. Die Zeit verbrachte ich weiterhin mit der Reservierung und Suche weiterer Unterkünfte. Ein Hobby, welchem ich mit großer Begeisterung nachging. ? Aber heute klappte mal alles wie am Schnürchen.
Um kurz nach zwölf wurde Jean von einem Arbeitskollegen an der Kirche abgesetzt. Er kam zu mir und sagte, dass er jetzt kurz das Essen organisieren und dann zurück kommen würde. Ok, antworte ich ihm und wartete eine weitere halbe Stunde. Doch das warten lohnte sich. Der Pommdöner kam genau richtig. Eine wundervolle Stärkung für die letzten Kilometer heute. Und die sollten richtig anstrengend werden. Es sollte einige Meter erneut in die Höhe gehen. Da es nicht sonderlich schön ist den Döner direkt vor der Kirche zu essen, setzten wir uns ein Stück weiter auf eine Bank. Man sah Jean an, dass er froh und sich freute mit jemanden zusammen zu Mittag zu essen. Das freute mich ebefalls zusehen, dass ich ihm damit eine Freude bereiten konnte. Mithilfe von Google Translate konnten wir uns sogar einigermaßen gut unterhalten. Jean erzählte mir u. A. das er vor kurzem im Krankenhaus lag und am Kopf operiert wurde. Was genau er hatte konnte ich auch mit Google nicht so ganz verstehen, aber es war wohl alles andere als schön. Die Zeit verging wie im Fluge und ich verlor die Zeit vollkommen aus den Augen. Daher war ich erstaunt als ich sah, dass es bereits halb zwei durch war. Jean musste wieder zur Arbeit und ich musste mich mal langsam weiter in Richtung Zielort begeben. Auf dem Weg zurück zur Kirche fragte Jean mich, ob wir nicht Händchen halten wollen. Ich schaute ihn verdutzt an und sagte, “Auf keinen Fall”. Ist ja nicht so als hätte ich ihm erzählt, dass ich verheiratet bin. Aber man kann es ja mal versuchen ? Trotz des sonderbaren Vorfalls verabschiedeten wir uns ganz normal voneinander und wünschten uns gegenseitig alles Gute. Naja wenigstens hatte ich nun einen vollen Magen ?
Jetzt hieß es Bergauf. Da ich nun doch etwas mehr Zeit, als ursprünglich geplant, für meine Pause aufgewendet hatte, ging es im Eiltempo hoch auf den Berg. Das Wetter war super und der Bodenbelag war anspruchsvoll. Einfach genial für ein kleines Kletterabenteuer bei dem die Beine wieder alles geben mussten. Man war das wieder herrlich. Mehr davon ?
Oben auf dem Berg angekommen erreichte ich auch schon fast das Dorf Le Sétoux. Dank des tollen Wetters konnte ich Kilometer weit schauen. Einfach Phänomenal. Ich erreichte, den kleinen Marktplatz des Dorfes und hörte plötzlich unter meinem rechten Fuß etwas knacken. Ohje, ich hoffte, dass es einen Nuss oder dergleichen war. Doch nein, es war eine riesige grüne Heuschrecke, auf die ich versehentlich getreten war. Och Gott nein, das wollte ich nicht. Die kleine Heuschrecke regte ein letztes Mal ihre kleinen Beine und war danach tot. Aus irgendeinem Grund ging mir dies sehr nahe und ich fühlte mich schlecht. Durch meine Unvorsichtigkeit musste dieses kleine Geschöpf mit seinem Leben bezahlen. Aber warum ist die Heuschrecke nicht einfach Weg gesprungen? Ein sehr sehr unglücklicher Zufall. Ich hoffte innigst, dass es dem Kleinen, dort wo er nun sein mag, gut geht. Ruhe in Frieden kleiner Mann.
Mit einem schlechten Gefühl im Bauch erreichte ich die Herberge. Direkt kam mir Urs entgegen und hieß mich willkommen. Urs ist ein älterer Pilgerer aus der Schweiz der von Anfang an mit seiner ruhigen und lieben Art einen charmanten Eindruck auf mich machte. Da Urs aus Basel kommt konnten wir uns auf Deutsch unterhalten. Ohh war das schön, nochmal in der eigenen Muttersprache zu sprechen ? Neben Urs war auch schon Florence angereist. Florence stammt ebenfalls aus der Schweiz, jedoch aus Genf und spricht daher primär Französisch, aber dafür konnten wir uns prima auf Englisch unterhalten. Auch Florance wirkte auf mich sehr lieb und ruhig. Zunächst dachte ich, dass die beiden ein Paar oder Freunde wären. Aber da lag ich falsch, wir alle lernten uns heute das erste Mal kennen.
In dem einzigen Restaurant hier im Dorf gingen wir drei am späten Abend zusammen essen. Trotz des Pommdöners hatte ich schon wieder ordentlich Hunger. ? Dort gab es ein Menü extra für Pilgerer zum super sondern Pilgerpreis. Während wir uns durch die 3-Gänge schlemmten, berichtete jeder von seinen bisherigen Pilgererfahrungen. So kam es das Florance und Urs mir zustimmten, dass die ersten Tage in Frankreich nicht die schönsten waren. Man sah kaum jemanden auf den Straßen und es war teilweise sehr dreckig. Na da lag ich ja dann doch nicht so falsch mit meinem Eindruck. Neben dessen tauschten wir auch witzige Pilgergeschichten aus. Es war ein rundum gelungener Abend mit sehr sehr vielen Gesprächsthemen, womit wir noch viele weitere Stunden hätten füllen können. Jedoch waren wir nach dem üppigen Essen so müde, dass wir nur noch in unsere Betten fielen.
Eine traumhaft schöne Landschaft und liebenswerte Menschen!
Die Welt ist einfach schön, vor allem, wenn man ihr mit Offenheit begegnet.